Im Taumel der Sehnsucht
jungenhaftes Grinsen, daß sie die Augen senken mußte, um den plötzlichen Wunsch, ihn zu küssen, unterdrücken zu können.
Als Catherine ihr Lied beendet hatte, erklang höflicher Applaus. Einige Gäste, Caroline und Bradford eingeschlossen, sprangen erleichtert auf, doch da setzte Catherine zur nächsten Tortur an, und die Leute plumpsten sichtlich entgeistert auf ihre Plätze zurück - alle, bis auf Caroline, die die Chance nutzte und sich hastig durch die Reihe schob. Mit einem letzten, zuckersüßen Lächeln in Bradfords Richtung, verließ sie den Raum.
Draußen fragte sie eine Kammerzofe, wo sie sich erfrischen konnte, und lief dann an ein paar Gästen vorbei zur Treppe und die Stufen hinauf. Im ersten Stock war seltsamerweise kein Mensch zu sehen. Am Ende eines langen Flures fand Caroline endlich das Badezimmer. Ein mannshoher Spiegel befand sich darin, und Caroline nahm sich Zeit, ihre Erscheinung gründlich zu überprüfen.
Nun war es nicht mehr nötig, ihren Wangen durch Kneifen einen rosigen Schimmer zu verleihen. Bradford hatte ihr die Blässe durch seine bloße Anwesenheit vertrieben. Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Es war ihr immer noch ein Rätsel, warum sie so heftig auf diesen Mann reagierte.
Als Caroline schließlich die Tür öffnete, verharrte sie einen Moment verdutzt im Türrahmen. Der Flur lag im Dunkeln; irgendjemand mußte die Kerzen gelöscht haben! Vorsichtig tastete sie sich an der Wand entlang bis sie die Treppe erreicht hatte. Plötzlich hörte sie ein Geräusch hinter sich. Als sie gerade den Kopf wenden wollte, spürte sie einen festen Stoß.
Sie hatte nicht einmal Zeit, zu schreien. Caroline segelte durch die Luft und versuchte verzweifelt, nach dem Geländer zu greifen.
Dann krachte sie auch schon dagegen. Ihr Ellenbogen fing den größten Teil des Aufpralls ab, so daß sie mit dem Hinterteil auf der Treppe landete. Bevor sie sich festhalten konnte, rollte sie zwei weitere Stufen abwärts. Der Absatz ihres Schuhs verfing sich im Saum und zerriß ihn, doch ihr Ausschnitt war weit übler zugerichtet: Als sie versucht hatte, ihren Ellenbogen vor dem schmerzhaften Aufprall zu retten, waren ihre Finger in dem Spitzenbesatz hängengeblieben. Nun klaffte ein gewaltiger Riß in ihrem Mieder.
Caroline saß mitten auf der Treppe und versuchte, wieder zu sich zu kommen. Ihre Frisur hatte sich aufgelöst, so daß ihre Haare nun wirr über ihre Schultern hingen. Ihr ganzer Körper schmerzte, und sie rieb sich eine Weile den pochenden Ellenbogen. Endlich erhob sie sich auf ihre zitternden Beine. Mit einer Hand klammerte sie sich am Geländer fest, während sie mit der anderen den Riß in ihrem Mieder zusammenhielt.
Das einzig Positive an diesem entsetzlichen Vorfall war, daß niemand sie gesehen hatte. Der Schmerz ebbte langsam ab, obwohl sie sich immer noch fühlte, als wäre sie gerade eben gründlich verprügelt worden. Und dann stieg Zorn in ihr auf. Caroline wandte sich um und stöhnte laut auf, als ihre Muskeln protestierten. Sie war ziemlich tief gefallen. Sie hätte sich das Genick brechen können! Und plötzlich traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. Jemand hatte gewollt, daß sie sich das Genick brach!
Es war Bradford, der sie schließlich fand. Als sie nicht gleich in den Salon zurückgekehrt war, hatte er begonnen, unruhig auf dem Stuhl hin und her zu rutschen, bis Milford ihm einen strafenden Blick zuwarf.
»Was macht sie denn so lange da draußen?« murmelte Bradford. Plötzlich erschien vor seinem inneren Auge das Bild von einem übereifrigen Verehrer, der Caroline belagerte, und dieser Gedanke ließ ihn augenblicklich hochfahren. Er drängte sich durch die hintere Reihe, wobei er Milford auf den Fuß trat, doch er hielt sich nicht damit auf, sich bei seinem Freund zu entschuldigen.
Milford, nun auch neugierig geworden, stand ebenfalls auf, um Bradford zu folgen. Als er fast die Tür erreicht hatte, schraubte sich Catherines Stimme in schwindelnde Höhen, und es kostete Milford jedes bißchen Selbstbeherrschung, für die letzten Meter nicht die Beine in die Hand zu nehmen.
»Was in Gottes Namen ...« Bradford war am Fuß der Treppe stehengeblieben und starrte verdattert zu Caroline hinauf. Sie sah aus, als hätte sie gerade ein sehr heftiges Schäferstündchen in einem Heuschober hinter sich. Das einzige, was fehlte, um das Bild perfekt zu machen, war ein Strohhalm im Haar. Und, wie er im stillen zynisch hinzufügte, der Mann, mit dem sie sich herumgewälzt
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