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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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natürlich Ihre Kinder, nicht wahr?«, fragte er.
    Â»Ja.«
    Â»Gott erhalte sie. Kinder sind ein Geschenk Gottes.«
    Â»Danke.«
    Â»Gott beschütze sie.«
    Â»Danke.«
    Â»Wie alt sind sie denn?«
    Â»In ein paar Monaten werden sie zehn.«
    Â»Gott schenke ihnen ein langes Leben.«
    Ich antwortete nicht mehr, denn diese vermutlich endlose Platte ging mir auf die Nerven.
    Aber nach kurzem Schweigen fuhr der Chauffeur fort: »Ich habe auch einen Sohn.«
    Â»Gott segne ihn.«
    Â»Gott sei gelobt, Gott sei gelobt. Er war ein wahres Geschenk unseres Herrn. Nach der Hochzeit entdeckten wir, dass wir ein Problem mit dem Kinderkriegen haben. Wir sind zu vielen Ärzten gegangen, bis Gott uns nach sieben Jahren die Gunst erwies und wir Hussain bekamen. Wir nannten ihn nach Hussain 32 , damit er in seine Fussstapfen trete.
    Aber als er vier Jahre alt war« – der Fahrer seufzte herzzerreissend –, »entdeckten wir, dass er Krebs hat. Jetzt liegt er in der Krebsklinik. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel wir uns das kosten lassen. Das ist unerschwinglich. Ich habe überall versucht, Geld aufzutreiben, habe sogar in den Moscheen gebettelt, und die haben mir Geld gegeben, möge Gott sie belohnen, aber es hat nicht gereicht. Einige rieten mir, ich solle zur Kirche gehen. Ich sagte, ich sei doch Muslim! Ich solle trotzdem gehen, hiess es. Dort zeigte ich die Untersuchungsberichte und bekam ebenfalls Geld, möge Gott sie belohnen. Ich bettelte weiter an allen Ecken und Enden, aber es hatte keinen Zweck, die Behandlung ist zu teuer. Seine Mutter konnte es nicht mehr ertragen. Sie bekam einen Herzanfall und liegt nun in der Kardiologie.«
    Â»Du meine Güte! Die Guten werden schwer geprüft.«
    Â»Gott sei gelobt für alles. Möge Gott Ihre Söhne beschützen.«
    Â»Vielen Dank. Wie geht es denn Ihrer Frau und Ihrem Sohn jetzt?«
    Â»Möge Gott uns alle beschützen. Wenn ich Hussain in der Klinik besuche« – wieder seufzte er tief –, »hopst er vor Freude herum und ruft: ›Papa ist da, Papa ist da!‹ Es zerreisst mir das Herz. Wenn ich ihn in die Arme nehme, bitte ich Gott, er möge ihn erretten.« Er schluchzte. »Keine Ahnung, was ich mit seiner Mutter machen soll. Die müsste eigentlich am Herz operiert werden. Jedenfalls danke ich Gott für alles.«
    Er schaute zu meinen Buben und sagte abermals: »Gott erhalte sie!«
    Dann sah er mich flehentlich an.
    Ich kenne diese Art Fahrer, die alles tun, um Mitgefühl zu erwecken, damit man ihnen etwas mehr Geld gibt. Aber dieser Mann hatte mich tief berührt, obwohl ich fast sicher war, dass er die ganze Geschichte von Anfang bis Ende erfunden hatte, um ein grosszügiges Trinkgeld zu bekommen. Trotzdem war ich bewegt, ich weiss nicht, warum. Vielleicht aufgrund seiner grandiosen Darbietung oder seiner Körpergrösse oder aber, weil mich eine leise Ahnung überkam, er könnte doch die Wahrheit gesagt haben. Jedenfalls gab ich ihm am Ende der Fahrt mehr Geld, als er für die Krebsklinik, die Herzklinik und jede andere erdenkliche Klinik benötigt hätte.
    Als wir in Sahars Wohnung sassen, stieg mir der Geruch von Fleisch, Zwiebeln und Zimt in die Nase und drang sogar in die Poren meiner Haut. Ich verspürte einen inneren Frieden und erzählte Sahar die Geschichte mit dem Fahrer.
    Sie war nicht überrascht. »So was hört man andauernd. Ist mir bestimmt hundertmal passiert. Wir sind ein Volk von Bettlern geworden. Wusstest du das nicht?«
    Â»Nein.«
    Â»Pass auf: Wer unter Nasser nicht im Gefängnis war, wird nie ins Gefängnis kommen; wer unter Sadât nicht reich geworden ist, wird nie reich werden; und wer unter Mubârak nicht gebettelt hat, wird nie betteln. 33 «
    Â»Dann betrachte mich als Bettler, und bring mir was zu essen. Ich sterbe vor Hunger.«

19
    Die Gisastrasse sah aus wie am Jüngsten Tag. Das Taxi rührte sich nicht vom Fleck, und die Luftverschmutzung in Verbindung mit der Langeweile liess die Zeit stillstehen. Zu meiner Linken war die Veterinärmedizinische Fakultät, zu meiner Rechten der Zoo. Die Autokolonne vor und hinter uns schien unendlich. Ich schätzte, dass ich das City-Kino in der Pyramidenstrasse etwa in zwei Jahrhunderten erreichen würde.
    Ich sagte nichts, und die sich ausbreitende Stille machte die Luftverschmutzung und die Langeweile noch

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