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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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geschworen, dass sie nicht einmal Geld fürs Essen habe und Geduld der Schlüssel zur Erlösung sei. Wenn man Gutes tue, so erhalte man später dafür eine Belohnung.
    Ich weiss einfach nicht, was ich tun soll. Mein Gewissen sagt mir, dass ich die Kinder zur Schule fahren muss. Aber ich bin selbst so arm, dass ich Unterstützung gebrauchen könnte. Bei diesen Transporten werde ich nun auf jeden Fall Verlust machen. Wie denken Sie darüber, mein Herr?«
    Â»Schwer zu sagen. Ich bin ja nicht in Ihrer Lage.«
    Â»Ehrlich, wenn Sie an meiner Stelle wären, was würden Sie tun?«
    Â»Meiner Ansicht nach sollte man Gutes tun, ohne eine Belohnung dafür zu erwarten. Ich würde die Kinder zur Schule fahren.«
    Â»Mein Vater, möge er in Frieden ruhen, meinte immer, wenn man Gutes tue, würde man dafür belohnt werden. Das ist wie mit dem Schall und seinem Echo: Wenn man nicht laut ruft, gibt es kein Echo. Das heisst doch, wenn man nichts Gutes tut, bekommt man auch nie etwas Gutes zurück. Gott beschütze deine Seele, lieber Vater. Aber er lebte zu einer ganz anderen Zeit. Wenn er um drei Uhr nachmittags von der Arbeit kam, blieb er bei uns Kindern. Ich sehe meine Kinder höchstens am Freitag, wenn überhaupt.
    Wenn ich nun aber die Kinder in diesem Monat weiter zur Schule fahre und ihr Vater doch nicht aus dem Gefängnis entlassen wird, wie lange soll ichdann warten? In alle Ewigkeit Gutes tun geht doch auch nicht. Meine Frau hat mir eine grässliche Szene gemacht, als ich ihr gestern sagte, ich würde die Kinder weiter zur Schule bringen.
    Ich mag vor allem Amîna, das kleine Mädchen. Die ist erst fünf und gleicht meiner Nichte Asmâ aufs Haar. Ein hübsches, lustiges Mädchen, sanft, aber auch ein kleiner Schelm. Haben Sie schon mal einen Fratz gesehen, der auch brav sein kann? Ja? So ist Amîna. Ach, wenn ich doch wüsste, was ich tun soll.«
    Als ich ausstieg, riet ich ihm, eine Entscheidung zu treffen und dann an ihr festzuhalten. Er nahm das Fahrgeld und schaute nicht einmal, wie viel ich ihm gegeben hatte. Er sah nicht so aus, als ob es ihm wesentlich besserginge als zuvor.

17
    Die Pyramiden von Gisa sind das einzige noch existierende der sieben Weltwunder, Sinnbilder der Pracht und der Perfektion.
    Und Fuâd, von beeindruckender Grösse, aber dünner als Zuckerrohr, ist eins der sieben Weltwunder unter den Taxifahrern. Er ist nämlich auch Börsenspezialist, ein hervorragender Spekulant und Star unter seinen Verwandten und Freunden, weil er einige in wenigen Tagen reich gemacht hat. Mit seinen Adleraugen nimmt er jede Bewegung der Aktien wahr. Die Börse ist seine Welt, erst danach kommt das Taxifahren.
    Â»Die Börse ist kein Glücksspiel, sondern ein Abenteuer«, sagte Fuâd. »Auf Arabisch unterscheiden sich die beiden Wörter nur in einem Buchstaben. 31 Wissen Sie, wer das einmal im Blut hat, wird es nicht mehr los. Das ist viel schwieriger, als das Rauchen aufzugeben.«
    Â»Warum machen Sie daraus dann keinen Vollzeitjob?«, fragte ich ihn. »Man kann doch nicht auf zwei Hochzeiten tanzen.«
    Â»Mein Kopf ist voll und ganz mit der Börse beschäftigt. Fürs Taxifahren braucht man keinen Kopf, sondern nur Erfahrung, und die habe ich. Das Fahren liegt mir im Blut, damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt. Das Auto gehört mir, ich habe esnicht gemietet. Was ich an der Börse verdiene, ist quasi nur das Dessert. Mit dem Taxifahren verdiene ich mein tägliches Brot. Wenn ich mal kein Geld für den Nachtisch habe, macht das nichts. Wichtig ist, überhaupt zu essen. Wenn ich dann wieder viel Geld habe, gibt’s auch Dessert, so ist das. Das Geld an der Börse ist nie sicher. Der Markt kann dich plötzlich nach oben reissen und im nächsten Moment zu Boden werfen.
    Ich spekuliere mit dem Geld von rund zwanzig Verwandten und Freunden. Jeder von ihnen hat mir vor Jahren einen kleinen Betrag gegeben. Wir treffen uns regelmässig im Café, und ich erzähle ihnen, was ich als Nächstes vorhabe. Sie vertrauen mir und haben mir ihr Geld gegeben, ohne eine Quittung zu verlangen. Vertrauen ist das Wichtigste, schliesslich läuft das Aktiendepot auf meinen Namen.«
    Â»Was heisst das: Aktiendepot? Ich kenne mich an der Börse überhaupt nicht aus.«
    Â»Passen Sie auf: Zuerst muss man ein Konto, ein Depot, unter seinem Namen eröffnen. Der Name wird kodiert, so nennt man

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