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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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neue Besen kehren gut. Vielleicht bringen sie unsere Wirtschaft wieder in Schwung. Apropos Wirtschaft, kennen Sie den neusten Witz?«
    Â»Nein.«
    Tamarinde
    Â»Die ägyptische Wirtschaft ist wie das Höschen einer Hure: Immer wenn sie es hochzieht, rutscht es wieder runter.« Er brach in Lachen aus.

22
    Â»Alles Unglück und alle Katastrophen, die wir erlebt haben, sind nichts im Vergleich zu dem, was im Irak passiert ist«, sagte der Fahrer. »Manchmal fragen dich die Leute: ›Kennst du den und den?‹ – ›Ja.‹ – ›Hast du mit ihm zusammengelebt?‹ – ›Nein.‹ – ›Dann kennst du ihn auch nicht.‹ Ich habe jahrelang mit Irakern zusammengelebt. Die verdienen überhaupt nicht, was ihnen jetzt passiert.
    Im Irak lebte ich in Hurrîja, im Distrikt mit den Offiziersunterkünften. Ich arbeitete als Verkäufer in einem Geschäft. Dort hat jeder Laden hinten einen kleinen Wohnraum. Die Iraker sind unbeschreiblich. Während meines ersten Ramadan dort lebte ich mit zwei Ägyptern zusammen. Wir bereiteten gerade das Essen fürs Fastenbrechen vor, da klopfte es an der Tür. Es waren die Nachbarn, die uns ein Riesentablett voller Speisen brachten. Ich bedankte mich und sagte, dass wir unser Essen schon zubereitet hätten. Sie meinten, davon könne man nie genug haben. Sie können sich nicht vorstellen, wie gross das Tablett war, wir mussten beide Türflügel öffnen, damit es durchpasste. Und einer allein konnte es gar nicht tragen, wir mussten zu zweit anfassen. Hinzu kam, dass der eine Türflügel zunächst klemmte und sie eine Weile warten mussten. Auf dem Tablett fehlte wirklich nichts, sogar Wasser mit Eiswürfeln stand drauf. An allen dreissig Tagen im Ramadan brachten sie uns so ein Tablett. Unmengen von Essen jeden Abend.
    Dort sind Freunde echte Freunde. Einmal musste ich nach Ägypten fliegen. Karîm, ein Freund, der beim Sicherheitsdienst auf dem Flughafen arbeitet, kam überraschend bei mir vorbei, weckte mich und brachte mir das Frühstück. Er war mit dem Auto gekommen, um mich zum Flughafen zu fahren, und blieb bei mir, bis ich ins Flugzeug stieg.
    Ein anderer Freund arbeitete beim Geheimdienst und hatte ausserdem noch ein Lebensmittelgeschäft bei mir um die Ecke. Meine Güte, der hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mir zu helfen. Die Iraker sind feine Kerle; wer etwas anderes behauptet, ist ein Lügner!
    Wenn ich könnte, würde ich an ihrer Seite kämpfen. Ich fühle mich richtig mies, denn ich hatte mit ihnen eine gute Zeit, und jetzt, wo es ihnen dreckig geht, bin ich weit weg. Ich bin kein schlechter Mensch, aber es gibt nichts, was ich tun könnte. Möge Gott die Aggressoren bestrafen. Einmal wird auch denen die Stunde schlagen, inschallah. «

23
    Ganz selten trifft man einen Fahrer wie diesen. Der Mann war um die fünfzig, er war sehr elegant, gut rasiert und roch nach Aftershave. Er hatte eine tiefe, ruhige Stimme wie ein buddhistischer Mönch, ein Einsiedler aus der Wüste oder ein Heiliger aus einem abgelegenen Kloster.
    In seinem makellosen Taxi fuhren wir an der Universität Kairo vorbei und unterhielten uns über die hässlichen Gebäude, die vor der Handelsfakultät und der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Politologie gebaut worden waren.
    Er meinte: »Alles auf dieser Welt besitzt eine eigene Schönheit. Man muss nur sein Herz öffnen, um sie wahrzunehmen. Aber wenn man wie die meisten Leute sein Herz verschlossen hat, wie will man dann das Licht sehen, das uns erhellt? Hier in Ägypten sind wir wirklich gesegnet, wir leben in einem der schönsten und grossartigsten Länder der Welt. Wenn Sie Ihr Herz öffnen, werden Sie unglaubliche Dinge entdecken. Allein der Nil reicht doch schon. Wie er uns Trinkwasser und Nahrung liefert, so kann er auch unsere Seelen waschen. Ein Blick auf ihn läutert das Herz.
    In den letzten dreissig Jahren habe ich meine Tage dreigeteilt. Zuerst fahre ich Taxi, den zweiten Teil des Tages verbringe ich mit meiner Frau und meinen Kindern, und dann angle ich im Nil und wasche meinen Körper, meine Seele und meine Augen. Im Buchdes Nils lese ich die Worte unseres Herrn. Nach diesen vier Stunden habe ich das Gefühl, ich sei völlig klar, Gott sei bei mir und halte meine Hand, damit ich nichts fürchte ausser ihn. Wenn jeder in diesem Land im Buch des

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