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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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den USA haben die Leute die Wahl zwischen zwei Parteien, aber in Wahrheit ist es ein und dieselbe. So als ob man hier zwischen Mubârak und Mubârak wählen würde! Dieselbe Partei mit zwei verschiedenen Namen. Auch in Europa sind sich alle Parteien ähnlich. Der Unterschied zwischen uns und ihnen ist nicht die Demokratie, denn die ist eine Illusion und existiert nur in Büchern. Der Unterschied liegt im Recht. Sie haben Gesetze, unddie werden eingehalten. Wir nicht. Das ist der Unterschied.
    Denen im Westen kannst du nicht erklären, dass die Muslimbrüder verboten und trotzdem die einzige echte Opposition sind. Verboten bedeutet dort nämlich wirklich verboten. Hier hingegen kann man zwar illegal sein, wird aber dennoch geduldet. Das geht übrigens nicht nur den Brüdern so. Nach dem Gesetz kann hier jeder verhaftet werden, wirklich jeder!
    Nehmen wir mal an, ein Polizist würde mich jetzt stoppen. Als Erstes würde er meinen Führerschein verlangen. Wenn der in Ordnung ist, würde er den Feuerlöscher sehen wollen. Ich würde ihn hervorholen, und dann würde es heissen, er sei leer oder zu alt oder zu weit weg platziert. Klar würde man nicht verstehen, woher der Polizist so genau weiss, dass der Feuerlöscher zu alt oder gar leer ist. Und wenn ich auch diese Hürde genommen hätte, würde er die ganzen Deko-Anhänger bemängeln. Die sind nämlich verboten, obwohl alle welche am Rückspiegel hängen haben. Wenn ich auch das überstanden hätte, würde der Polizist nach der Sicherheit und der Fahrtüchtigkeit meines Wagens fragen. Aber jedes Auto in Ägypten hat irgendwo eine kleine Delle.
    Kurz gesagt, er findet immer einen Vorwand, um mich festzunehmen, sogar wenn alles in Ordnung ist, ihm aber mein Gesicht nicht gefällt. Er kann herumschnüffeln, und ausserdem gibt es ja immer noch das Notstandsgesetz, das seit einem Vierteljahrhundert in Kraft ist. Ich sage Ihnen, die könnten in jedem Hausin Ägypten was Illegales finden, denn das Gesetz bei uns ist so dehnbar wie ein Gummiband.
    Eigentlich sind wir alle illegal. In diesem Land sitzen wir alle mit den Muslimbrüdern im gleichen Boot, wir können jederzeit verhaftet werden. Gott beschütze uns!«

21
    Fisch 37
    Â»Gott möge mir verzeihen, aber ich bete nicht«, sagte der Fahrer. »Ich gehe nicht mal in die Moschee, hab einfach keine Zeit. Schliesslich arbeite ich den ganzen Tag. Und fasten tue ich auch höchstens jeden dritten Tag. Ich kann nicht arbeiten, ohne zu rauchen. Aber trotzdem wünsche ich mir wirklich, die Muslimbrüder würden die Macht ergreifen. Warum auch nicht? Nach den letzten Parlamentswahlen sieht es so aus, als ob alle das wollen.«
    Â»Aber wenn die an die Macht kommen und mitkriegen, dass Sie nicht beten, werden die Sie an den Füssen aufhängen«, sagte ich.
    Â»Nein, denn dann würde ich in der Moschee vor allen Leuten beten.«
    Â»Warum wollen Sie denn, dass die an die Macht kommen?«
    Â»Weil wir schon alles andere ausprobiert haben. Wir haben es mit einem König versucht, und das hat nicht funktioniert. Mit Nasser probierten wir den Sozialismus aus, aber sogar auf dem Höhepunkt des Sozialismus gab es bei der Armee und den Geheimdiensten noch immer Paschas. Danach haben wir es mit dem politischen Zentrum versucht und dann mit dem Kapitalismus, aber einem Kapitalismus mit Subventionen, einem öffentlichen Sektor, Diktaturund Notstandsgesetzen. Wir sind zu Amerikanern geworden, und langsam werden wir zu Israelis. All das funktioniert immer noch nicht. Warum probieren wir es dann nicht mal mit den Muslimbrüdern? Vielleicht haut es ja mit denen hin, wer weiss?«
    Â»Sie meinen also eine Art Experiment? Sie können es meinetwegen mal mit einer zu weiten Hose oder einem zu engen Hemd versuchen, aber mit der Zukunft eines Landes darf man nicht experimentieren.«
    Milch
    Â»Die Amerikaner begreift man sowieso nicht. Sie helfen Mubârak, sie helfen den Muslimbrüdern und auch den Kopten, die im Ausland herumlärmen. Sie geben den Saudis Geld, die es wiederum den Islamisten geben, die damit Terroranschläge gegen Amerika finanzieren. Das ist doch ein schreckliches Durcheinander, da schwirrt einem ja der Kopf. Aber wir müssen es wirklich mal mit den Muslimbrüdern an der Macht versuchen. Mal schauen, was die machen. Dann kriegen wir auch endlich mal ein paar neue Gesichter zu sehen. Sie wissen doch,

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