Im Taxi - unterwegs in Kairo
sie und die Kinder müssten jeden Tag Milch trinken. Milch hat für sie oberste Priorität.
Aber es ist ja nicht nur die Milch, alles ist wahnsinnig teuer geworden. Ein Kilo Bohnen kostet heute drei Pfund und das subventionierte Speiseöl dreieinhalb Pfund der Liter. Vom Maisöl, das sogar sechs Pfund kostet, gar nicht zu reden!
Jedenfalls kann niemand in Ãgypten von seinem Lohn leben. Die Einkommen bewegen sich zwischen dreihundert und sechshundert Pfund, mehr gibt es nicht! Das reicht aber nicht. Also was tun? Entweder stehlen wir oder lassen uns bestechen oder arbeiten Tag und Nacht. Ich arbeite von acht Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags in der Firma. Danach fahre ich von fünf Uhr bis ein Uhr nachts Taxi. Von der Firma zum Taxiunternehmen brauche ich etwa eine Stunde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Gegen zwei Uhr nachts komme ich nach Hause, esse und gehe ins Bett.
Gott sei Dank muss ich niemanden anbetteln. Alles läuft so weit ganz gut, und in ein paar Jahren wird mein Lohn steigen. Und wenn ich meinen Master in der Tasche habe, inschallah, wird er noch mal steigen. Junge Leute müssen erst mal Sklavenarbeit leisten,später kann man es dann ruhiger angehen lassen, inschallah. «
Er sprach mit einer solchen Ãberzeugung von seiner Hoffnung auf eine bessere Zukunft, dass ich anfing mir Sorgen um ihn zu machen. Ich hoffe, das Schicksal meint es gut mit ihm, denn der Mann hätte es wirklich verdient.
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»Wie wird das Finale der Afrikameisterschaft ausgehen?«, fragte ich den Fahrer. »Gewinnen wir, oder gewinnt die Elfenbeinküste?«
»Ich verstehe nichts von Fussball. Aber ich hoffe natürlich, dass wir gewinnen werden«, antwortete er prompt.
»Haben Sie sich denn die Spiele nicht angeschaut?«
»Die Afrikameisterschaft ist nichts für uns, die ist nur was für Reiche. Für uns gibtâs da keinen Platz mehr. Mein Sohn hat mich angefleht, ihm für das Halbfinale ein Ticket zu kaufen, er ist nämlich total verrückt nach Fussball. Ich habe versucht, ein Ticket dritter Klasse zu ergattern. Unmöglich! Dann hörte ich, dass ein Typ vom Fussballverband Tickets auf dem Schwarzmarkt verkauft. Inzwischen machte schon ein Witz die Runde, dass jemand Aladins Wunderlampe gefunden und vom Geist ein Ticket für das Ãgyptenspiel verlangt hat. Doch der Geist antwortete: âºO nein, verlangen Sie bitte etwas Einfacheres.â¹ Ich versuchte zwar, für meinen Sohn ein Ticket auf dem Schwarzmarkt zu kaufen. Aber es kostete zweihundert Pfund. Stellen Sie sich vor, ein Ticket dritter Klasse für zweihundert Pfund! Das für die zweite Klasse kostete dreihundert und die erste Klasse sogar über fünfhundert Pfund. Also das billigste Ticket für einen Monatslohn! Deswegen sage ich, dass die Meisterschaft nur für die Reichen ist. Genau wie sie beimanchen Filmen schreiben: âºNur für Erwachseneâ¹, könnte man hier schreiben: âºNur für besonders Wohlhabendeâ¹.
Haben Sie im Fernsehen die Zuschauer gesehen? Die sehen alle wie Europäer aus: blonde Haare, blaue Augen, weisse Haut. Sie sehen blendend aus und sind sehr gut angezogen. Aber haben Sie einen einzigen Armen im Stadion gesehen? Da sind keine. Die Spieler sind die Einzigen, die arm aussehen und trotzdem ins Stadion gelassen wurden.
Mein Sohn heulte wie ein Schlosshund. Ich habe ihm gesagt: âºWoher soll ich zweihundert Pfund nehmen? Da müsste dein Vater schon Mubârak heissen, damit er dir ein Ticket besorgen könnte.â¹ Und deshalb bin ich nicht gerade begeistert von dieser Meisterschaft.
Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Früher gab es so was nicht. Da waren die Zuschauer immer die Armen. Die Plätze zweiter und dritter Klasse waren für uns reserviert. Jetzt dürfen wir gerade noch den Staub auflecken, auf dem die Reichen gehen. Ãbrigens wird nicht nur diese Meisterschaft, sondern auch die Weltmeisterschaft nur im Pay-TV übertragen. Nur wenn man bezahlt, kann man sie anschauen. Wir Armen sollen anscheinend gar nichts mehr sehen. In Ländern wie Saudi-Arabien oder den Emiraten mag das ja funktionieren, aber wie sollen wir hier das bezahlen?«
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»6.-Oktober-City 40 «, rief ich, »6. Oktober, 6. Oktober!« Ich wollte einen Taxifahrer überzeugen anzuhalten, aber es war hoffnungslos. Um zehn Uhr abends hatte ich einen Termin in der Media Production City. Mein eigener Wagen war kaputt, und ich
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