Im Tempel des Regengottes
Umrisse eines großen, kompakten Quaders, sicher der Altar des Jaguargottes, auf dem die Priester gleich wieder ihren Opferritus vollziehen würden. Mit einem Schritt war er dort und tastete über die steinerne Fläche.
Und da lag sie, Ixkukul, Ixnaay oder wie immer sie sich nennen mochte, gebettet in eine tiefe, längliche Mulde inmitten des Altars. Seine Hand fühlte einen Fuß, das schlanke und doch kräftige Bein. Aber wie kalt? Er erschauerte, für einen kurzen Moment stand er wie erstarrt, doch die Fackelträger kamen näher und näher, er durfte keinen Lidschlag länger zögern. Das Herz klopfte ihm bis in die Schläfen hinauf, eine wilde Erregung, Furcht und Begierde, pulsierte in seinem ganzen Leib. Schon konnte er die Umrisse der neun Jaguarpriester unterscheiden, den flirrenden Wechsel heller und dunklerer Flecken auf ihrer Haut. Da schob er ein Knie auf das schwarze Podest, stemmte sich hinauf, mit hölzerner Hast, und streckte sich mitten auf dem Altarblock aus, Ixnaay in der Mulde unter seinem Rücken verbergend.
5
Wieder hörte er das Wummern jener Trommel, kraftvoll und stetig wie der Herzschlag eines Riesen. Die Flammen der Fackeln ringsum an den Wänden schienen im gleichen Takt zu flackern, und die neun Jaguarpriester umringten ihn, auf ihren Unterschenkeln kauernd, und sangen beschwörende Formeln, mit heiseren Stimmen im Chor. Noch immer schlug ihm das Herz in wilder Erregung, im Takt der unsichtbaren Trommel, in seinem Rücken spürte er Ixnaay, und ihm war, als ob ihre Brüste sich im selben raschen Rhythmus hoben und senkten. Und Robert biß die Zähne zusammen, um nicht lauthals zu schreien oder zumindest aufzustöhnen, vor Angst, daß die Jaguarpriester ihren Frevel entdecken könnten, und vor unbändiger Lust, die überall in seinem Leib vibrierte.
Die Jaguarpriester umringten ihn, in ekstatischer Trance singend, und auch Robert wurde immer benommener zumute, doch Angst und Erregung hielten seinen Geist in angespannter Bewußtheit fest. Vage empfand er sich selbst als Frevler, der die heilige Ekstase der Jaguarpriester durch seine Wollust verhöhnte, zugleich aber hatte er Mühe, sich auf den sakralen Zweck ihres Rituals zu konzentrieren. Die unsichtbare Trommel wummerte, und die Lichter zuckten, und unter seinem Rücken schien sich Ixnaay träge zu regen, wie eine Relieffigur, der eine Gottheit warmes Leben einhaucht. Robert knirschte mit den Zähnen, hitzige, feuerfarbene Bilder wirbelten vor seinen Augen, und er dachte, wenn das Ritual nicht bald zu Ende war, würde er inmitten dieser Priester, wie ein hölzerner Deckel auf Ixnaay liegend, in einem dunklen Schrei furchtsamer Lust zerbersten.
Doch das Ritual war noch lange nicht zu Ende, es begann erst. Immer rascher donnerte die Trommel, betäubende Dämpfe stiegen von den Lichtern auf, die im Takt der Trommel zuckten, und im gleichen jagenden Rhythmus pulsierte Roberts Blut. Wenn es doch zumindest Priesterinnen wären, dachte er, wie die Hälfte der Opfernden im Tempel des Jaguargottes, aber der Chilam Balam hatte nur männliche Priester mit ihm nach Kantunmak entsandt. Benommen, doch mit wachsendem Unbehagen spähte er in ihre Gesichter empor, glatte junge Jaguarfratzen, he lldunkel gescheckt und mit langen Schnurrbarthaaren maskiert. Sein Blick ging über ihre sehnigen Körper, es waren allesamt junge Burschen, und er krümmte sich innerlich bei dem Gedanken, daß sie ihn gleich berühren würden, mit zweimal neun Händen, mit ihren Schultern und sogar mit den Wangen, um in ekstatischer Trance das Opferblut auf seiner Haut zu verreiben.
Mit einem Mal verstummte die Trommel. Die Jaguarpriester richteten sich auf ihren Unterschenkeln auf und hoben die knöchernen Becher bis in Höhe ihrer Herzen. Sonderbar, dachte Robert, er hatte überhaupt nicht mitbekommen, daß sie sich, wie letztes Mal, mit der steinernen Klinge geritzt und Opferblut abgezapft hatten. Für einen langen Moment herrschte Stille, dann setzte die Trommel mit einem Schlag wieder ein, und die Jaguarpriester kippten ihre Becher, so daß der Inhalt auf Roberts Leib herniederspritzte. Er schloß die Augen vor dem widrigen Schauspiel, und eine überraschend kühle Flüssigkeit rann ihm über Brust und Bauch. Das ist kein Blut, dachte er erstaunt, während die rauhen Hände der Jaguarpriester die zähe Substanz auf seiner Haut verteilten.
Die Trommel dröhnte in einem langsamen, kraftvollen Rhythmus, und Robert erblickte vor seinem inneren Auge die
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