Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
bemerkte endlich den Hauptgrund für seine andauernde Unruhe, seit er den Eintopf gegessen hatte. Er war auf Entzug. Er sehnte sich nach einer Zigarette. Wie lange war es wohl her, seit er zuletzt geraucht hatte? Er hätte lieber Tabak gehabt als Kleider oder dieses blöde Besteck. »Bitte, bitte, mach, dass sie Zigaretten haben«, flüsterte er vor sich hin.
Es dauerte eine Weile, bis sie den Scheiterhaufen mit Hilfe des Zippos zum Brennen gebracht hatten. Viermal ging er aus, und sie mussten ihn erneut anzünden, obwohl der fette Hase herumhüpfte und Fenris aufgeregte Schreie von sich gab, um die Flammen zu beschwören. Sie waren ziemlich betrunken.
Er schaute sich weiter an, wie die jungen Leute umhertanzten. Die beiden Männer tranken aus Hörnern, die zu Bechern umfunktioniert worden waren. Selbst gebrannten Schnaps. Das umhertaumelnde Mädchen fiel zweimal auf die Knie. Das Licht und die Hitze des Feuers drangen bis zu seinem Fenster herauf, und er musste ein Stück zurücktreten.
Auf einmal fühlte er sich müde und erschöpft, schwach und schwindelig. Ihm war übel. Dies war wirklich nicht der Moment, um an Flucht zu denken.
Er ging zurück zum Bett, legte sich auf die Daunendecke und kümmerte sich nicht weiter um die vom Urin feuchten Schaffelle und das verunreinigte Heu darunter. Er schloss die Augen und zitterte. Er fragte sich, was hier eigentlich mit ihm passierte. Klar zu denken fiel ihm schwer. Die heiser brüllenden Stimmen und das maschinenartige Trommeln unter seinem Fenster hämmerten in seinem Kopf, brachten seine Gedanken und sogar seine Atmung durcheinander. Er wollte nur noch Ruhe haben und in die Dunkelheit bewusstlosen Schlafs sinken.
Seine Situation war völlig absurd. Aber sich ihr kampflos zu ergeben, wäre zu einfach gewesen. Er befand sich noch immer im Schockzustand. Vielleicht wegen der schrecklichen Dinge, die Dom und Phil und Hutch dort draußen im Wald zugestoßen waren. In dem Wald, den er durch sein Fenster sehen konnte.
Er war keineswegs in Sicherheit, sondern noch immer in Reichweite dieses Dings, was immer es auch war, das dort draußen lauerte. Er hatte noch nicht genug Zeit gehabt, seine Lage vernünftig einzuschätzen, denn er war ununterbrochen um sein Leben gerannt. Tagelang, nur um festzustellen, dass er von einem Wahnsinn in den nächsten geraten war. Und wer weiß, was diese beiden grauenhaften Situationen miteinander zu tun hatten.
Wenn doch nur dieser Lärm, den die drei veranstalteten, endlich aufhörte. Er wollte seine Ruhe haben. Außerdem breitete der Lärm sich kilometerweit in der Umgebung aus und lockte womöglich etwas Grauenhaftes an.
Aber die Musik dröhnte weiter, und die besoffenen Jugendlichen brüllten immer noch in den Himmel. Sie schienen überhaupt nicht müde zu werden. Er fragte sich, ob sie die ganze Nacht wach bleiben wollten.
Das Ding. Wussten sie davon? Hatte Fenris ihn nicht ausgehorcht? Heimlich, weil er nicht wollte, dass Loki etwas davon mitbekam? Loki war der Anführer. Er schien intelligenter zu sein als die beiden anderen, vielleicht war er ja sogar zu Mitgefühl
fähig, auch wenn er sich im Augenblick völlig idiotisch benahm. Fenris war ein Dummkopf, ein großspuriger Heranwachsender. Irgendwie waren sie enervierend unreif, alle beide. Als wären sie nicht ganz dicht. Womöglich in ihrer Entwicklung zurückgeblieben. Im Gegensatz zu dem, was er dort draußen im Wald angetroffen hatte, war seine Angst vor ihnen nicht körperlicher Natur. Er dachte über diese Empfindung nach. Ja, er war eher misstrauisch, was ihre Absichten betraf, die Gründe, aus denen sie ihn in diesem Zimmer eingeschlossen hatten, als dass er sich vor dem fürchtete, was sie ihm antun könnten. Er vermutete, dass sie disziplin und verantwortungslos, aber harmlos waren. Die alte Frau wiederum war reif genug, um so etwas wie Verantwortung zu kennen. Sie hatte ihn gefüttert, seinen Verband wieder angelegt und ihm über die Wange gestrichen. Er erinnerte sich an das Gefühl und erschauerte. Wenn ein Großmütterchen dabei war, konnte eigentlich nichts Schlimmes passieren. Er musste sich einfach nur entspannen und abwarten. Die Masken hatten ihn in Panik versetzt, das war alles. Aber andererseits schienen sie sich überhaupt nicht um sein Wohlergehen zu sorgen. Sie hatten sich nicht um seine Kopfverletzung gekümmert. Stattdessen feierten sie eine beschissene Party. Hatten sie wirklich jemanden losgeschickt, um Hilfe zu holen? So langsam fühlte er sich wie
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