Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
diese Gegend atemberaubend. Aber seit dem Nachmittag des ersten Tages hielten Dom und Phil die Köpfe gesenkt und die Augen halb geschlossen.
»Nehmt das Gepäck runter, Jungs«, rief Hutch den drei anderen zu. Luke schaute auf, und Hutch gab ihm mit dem Kopf ein Zeichen, dass er zu ihnen aufschließen sollte.
Hutch nahm seinen Rucksack ab, setzte sich hin und zog eine Landkarte aus der Seitentasche. Lukes Rücken schmerzte, weil er wegen Dom und Phil gezwungen war, viel zu langsam zu laufen. Er merkte wie sein Ärger wuchs und in Wut umzukippen drohte, er spürte es an dem engen Gefühl in seinem Brustkorb. Seine Kaumuskeln zuckten, als müsste er die ganze Zeit hitzige Flüche unterdrücken, die er nur allzu gern ausspucken würde, um sie auf die beiden Männer herabregnen zu lassen, die diese Wanderung durch ihre Unfähigkeit in eine Art Todesmarsch verwandelt hatten.
»Was ist denn?«, fragte Luke nervös mit den Augen zwinkernd. Auf seiner Stirn glänzte ein dünner Schweißfilm. Regentropfen und Schweiß vermischten sich und wirkten wie Schaum auf seinen Bartstoppeln und den blonden Augenbrauen.
»Wir müssen unsere Pläne umschmeißen.«
Luke hockte sich neben Hutch und bot ihm eine Zigarette an. Dann zündete er sich selbst eine an. Seine Hände waren dunkelrot.
»Danke, Kumpel.« Hutch breitete die Karte auf seinen Oberschenkeln aus. Er seufzte laut und innig und zog intensiv an der Zigarette, die er mit den Zähnen festhielt. »Das wird so nicht funktionieren.«
»Was für eine Überraschung«, sagte Luke und blickte ausdruckslos drein. Dann wandte er sich ab und spuckte aus. »Fünfzehn beschissene Kilometer pro Tag. Mehr haben wir von ihnen nicht verlangt. Ich weiß, dass das hier ziemlich raues Gelände ist, aber die waren ja schon am ersten Tag total fertig.«
»Ist mir auch klar. Deshalb sollten wir die Route ändern. Wir müssen diese Abkürzung hier nehmen, sonst können wir sie bald huckepack nehmen. Jeder einen.«
»Das fehlt mir gerade noch.«
Hutch schaute nach oben und signalisierte seine Zustimmung. Dann merkte er, dass er dadurch womöglich nur eine weitere Hasstirade provozierte. Dazu hatte Luke sich schon vor fünf Tagen bei der Zusammenkunft in seiner Wohnung hinreißen lassen. Er passte einfach nicht zu Dom und Phil, und die Anstrengungen und das schreckliche Wetter hatten die Spannungen und versteckten Bosheiten nur verschärft. Hutch hatte versucht die Stimmung zu glätten, indem er sich enthusiastisch und optimistisch gab und ab und zu von einem bevorstehenden Wetterumschwung sprach. Auf keinen Fall durfte er Partei ergreifen und zulassen, dass die Gruppe zerfiel. Es ging jetzt nicht mehr nur um die Rettung ihres Wiedersehensurlaubs, sondern darum, dass sie sich nicht unnötig in Gefahr brachten.
Lukes Mundpartie spannte sich an, und er kniff die Augen zusammen. »Neue Schuhe, falsche Socken. Phil trägt heute sogar Jeans. Was hast du ihm bloß erzählt? Mein Gott!«
»Sch-sch. Ich weiß, ich weiß. Aber wenn wir sie zusammenstauchen, dann wird es nur noch schlimmer. Viel schlimmer. Wir müssen auf Nummer sicher gehen. Das betrifft auch mich. Okay?«
»Kapiert.«
»Wie auch immer. Jedenfalls habe ich jetzt einen Weg gefunden. «
Luke zog den Khakihut vom Kopf und blickte auf die Landkarte. »Dann zeig mal.«
Hutch deutete auf eine Stelle auf der Karte, an der er sie ungefähr vermutete. Sie waren eindeutig hinter ihrem Tagessoll zurück. »Noch so ein Nachmittag und ein weiterer ganzer Tag im Regen werden uns alles komplett ruinieren. Vergessen
wir also Porjus. Bis dorthin schaffen wir es nie. Aber wenn wir jetzt in südöstlicher Richtung weitergehen. Hier. Durch diesen Wald, den man da hinten schon sehen kann. Siehst du?« Luke schaute in die Richtung, die Hutch meinte, und nickte. Dort war ein dunkler, gezackter Streifen Wald zu erkennen, halb verborgen hinter den dahinziehenden Regenschwaden. »Wenn wir den Wald an der Stelle durchqueren, wo er am schmalsten ist, kommen wir am frühen Abend in der Nähe des Stora-Luleälven-Flusses heraus, vielleicht sogar schon eher. Dort können wir einem Pfad Richtung Osten folgen. Weiter flussabwärts gibt es einige Touristenhütten in Skaite. Mit etwas Glück schaffen wir es bis zum Anbruch der Dunkelheit zum Fluss. Wenn wir diesen neuen Weg einschlagen. Am Abend können wir dann Richtung Skaite gehen. Im schlimmsten Fall müssen wir am Flussufer campieren und kommen erst morgen früh zu den Hütten. In Skaite können wir uns
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