Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
landete mit der Schulter hart auf dem Wiesenboden.
Fenris lachte laut auf. Klatschte sich mit den Händen auf die Oberschenkel.
Das Mädchen blieb im Gras liegen und rang nach Luft.
Luke setzte sich sofort wieder auf und verlagerte sein Gewicht auf die Seite. Dann zog er das linke Bein an, um mit einem Ruck aufzustehen.
Die Spitze von Fenris’ Stiefel traf ihn an der Schläfe. Es knackte in seinem Schädel, als würden dort Eisschollen zerbrochen. Die Nieten rissen die Haut über seinen Wangenknochen auf. Rote Lichtpunkte tanzten vor seinen Augen.
Als er wieder klarer sehen konnte, merkte er, dass er in den matten grauen Himmel starrte und weder seinen Mund schließen noch die Zähne zusammenbeißen konnte. In seinem Ohr hörte er ein Pfeifen, und die eine Seite seines Kopfes brannte vor Schmerzen.
Wieder versuchte er aufzustehen, aber er schaffte es nur bis in eine sitzende Position, dann spürte er die plumpen Hände des
Mädchens in seinen Haaren. Bei ihr war irgendeine Sicherung durchgebrannt und etwas brach sich jetzt Bahn, das konnte er in ihren Augen sehen. Sie stieß aggressive Töne aus. Es klang wie ein Schluchzen, war aber viel härter und rhythmischer.
Was auch immer das für eine Wunde war, die oberhalb seiner Stirn so allmählich getrocknet und verkrustet war, sie riss sie wieder auf, zerrte an seiner Kopfhaut, und es gab ein klebriges Geräusch, als würde etwas abgezogen, und dann ergoss sich ein heißer Schmerz über seine gesamte Schädeldecke. Alles in ihm und um ihn herum ging in gleißendem Weiß auf. Es war, als würde man ganz plötzlich in eiskaltes Wasser geworfen. Er schrumpfte in sich zusammen und blieb ohnmächtig liegen.
Sie drückte ihn zurück auf die Erde und presste seine Schultern in das kalte Gras. Er kam wieder zu sich, aber gleichzeitig wurde ihm ungeheuer übel. Er konnte nicht mehr atmen. Er stieß die Hände in die Höhe, die Finger wie zum Gebet verschränkt. Seine Knöchel prallten unter ihr kleines flaches Kinn. Sie stöhnte laut auf, es klang, als würde man die Luft aus einem Kissen pressen, dann klappte der Mund zu und es war ruhig.
Fenris trat mit der geriffelten Sohle seines Stiefels direkt auf Lukes Gesicht.
Knorpel wurden zerquetscht. Ein heftiger Schmerz durchzuckte seine Nase und nahm ihm die letzte Kraft. Die Gummisohle drehte sich und zerquetschte die Haut und die gesamte Gesichtspartie, wo nun alles auf grausam schmerzhafte Weise verschoben wurde.
Luke wusste, dass der Kampf vorbei war. Er war besiegt. Es war aus.
Der Schatten von Surtr legte sich über ihn, als sie ihre dicken runden Knie in seine Schultern bohrte. Sie hockte sich auf sein Gesicht. Trotz des schmerzhaften Deliriums, in dem er sich befand, konnte er ihren Körpergeruch wahrnehmen. Sie roch
nach Joghurt, saurer Sahne und nach Talg. Selbst durch seine plattgetretene Nase konnte er ihre Möse riechen.
Sie packte ihn an den Haaren, riss seinen Kopf nach oben und schmetterte ihn auf den Boden. Wieder hoch und dann wieder runter.
Dann war das Gewicht ihres Körpers verschwunden. Mit einem Mal ließ sie von ihm ab. Luke drehte sich auf die Seite und spuckte rostig schmeckende Blutklumpen aus, die sich in seiner Kehle angesammelt hatten. Blutiger Speichel rann ihm aus dem Mund. Als er sah, was da alles aus seinem Mund und seiner Nase troff, bekam er Angst. Der halbwache Rest seines Bewusstseins, der trotz des panischen Durcheinanders in seinem Kopf noch vorhanden war, erkannte, dass seine Gesichtszüge zweifellos zerstört waren, dass sein Schädel womöglich offen war und die graue Gehirnmasse freilag. Er befühlte mit den Fingerkuppen sein Gesicht. Die Haut war gespannt. An der Schläfe, wo Fenris’ Stiefel ihn getroffen hatte, spürte er eine ovale Schwellung, die sich knochenhart anfühlte. Sein zerstörtes Gesicht nur anzufassen, verursachte ihm Übelkeit, also hörte er auf damit.
Loki hielt seine Freundin und Erfüllungsgehilfin fest umschlungen in den Armen und redete hastig und drängend auf sie ein, sprach in ihr völlig durcheinandergeratenes schwarzes Haar. Durch die wilden Strähnen, die ihr Gesicht bedeckten, starrte sie Luke weiterhin böse an, mit dem Blick eines Kindes, dessen grausames Spiel von den Eltern unterbrochen worden war.
Über Lokis Schulter hing ein langer dunkler Gegenstand, teils aus Holz, teils metallisch glänzend. Es war ein Jagdgewehr. Wenn seine weiß geschminkten Bluthunde den Fliehenden nicht gestellt hätten, dann hätte er diese Waffe benutzt.
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