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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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kräftige, stabile und klare Form zu verwandeln. Das Gefühl, außerhalb von sich selbst zu stehen, verschwand, und seine verzerrte Sicht normalisierte sich. Sein Gehör funktionierte wieder, als wären
seine Ohren voller Wasser gewesen, das nun endlich herauslief. Er merkte, dass er heftig atmete, geradezu keuchte.
    Dom setzte sich auf und hockte da, mit gespreizten Beinen und gesenktem Kopf. Er hielt sich die Hände vor den Mund. Niemand konnte sein Gesicht sehen.
     
    Dom weinte. Er war so wütend, dass er nicht anders konnte, als in Tränen auszubrechen. »Ich werde keine Minute mehr mit diesem Mistkerl zusammenbleiben!«, rief er aus. Luke saß auf einem umgefallenen Baumstamm und hörte Doms Stimme, die durch den Wald hallte. Sie klang sehr hoch und quiekend.
    »Er kann meinetwegen in die andere Richtung laufen … aber ohne mich … Euch hat dieses Arschloch ja nicht geschlagen … Der Typ ist doch krank im Kopf. Das ist er immer schon gewesen. Deshalb hat er auch nie einen anständigen Job gekriegt. Und deshalb ist er auch immer noch nicht verheiratet. Das ist doch sonnenklar, oder? Er ist ein schäbiger Drecksack. Ich hab keine Lust mehr auf diesen Irren. Was sollen wir denn mit dem? Der soll erstmal erwachsen werden. Mir reicht’s jetzt jedenfalls.«
    Und dann strömte wieder diese schreckliche Hitzewelle durch Lukes Körper, und mit einem Mal sprang er auf und stürzte wieder zu der Stelle, wo Hutch und Phil sich um Dom kümmerten. Mit gebleckten Zähnen und so fest zusammengebissenen Kiefern, dass er fürchten musste, jeden Moment einen seiner eigenen Zähne zu zermalmen und einen brutalen Schmerz zu spüren. Er lockerte sein verkrampftes Gebiss.
    »Mach nur weiter so, du dämlicher Fettsack«, brüllte er, als er die drei erreichte und sah, wie Phil und Hutch zur Seite sprangen. Dom hob seine Arme und schrie: »Hau ab!«
    Dieses Mal schlug er so heftig gegen Doms erhobene Hände, dass er sofort spürte, wie etwas am unteren Ende seines Halses sich anspannte, zerriss und zu brennen begann. Drei Schläge erwischten Dom im Gesicht, und Luke spürte, wie die Nase
nachgab und dann etwas unter seinen Knöcheln zerbrach wie ein Hühnerknochen beim Sonntagspicknick. Der vierte und der fünfte Schlag gingen gegen Doms Stirn und Hinterkopf, und dann brach sein Gegner zusammen und fiel ins Unterholz. Er rollte sich zusammen und legte die Arme schützend über den Kopf. Der letzte Schlag hatte Lukes kleinen Finger am Knöchel und dem Knochen darüber arg in Mitleidenschaft gezogen. Er schob die Hand unter seine Achsel und trat einige Schritte zurück.
    »Noch ein einziges Wort, noch ein einziges Wort …«, versuchte er zu sagen, aber er atmete viel zu heftig, um sich artikulieren zu können, und seine Stimme vibrierte vor Emotionen.
    »Mein Gott, hör doch endlich auf, verdammt.« Hutch sprach schnell und packte Luke an der Schulter, um ihn fortzuführen.
    »Wenn er noch ein Wort sagt, dann mach ich ihn endgültig fertig, das schwör ich!«
    Sie gingen ein Stück weit von den anderen weg. Hutch hielt ihn am Ellbogen fest. Dom lag immer noch zusammengerollt am Boden. Phil kniete neben ihm und redete mit leiser Stimme auf ihn ein, aber Luke konnte nicht verstehen, was er sagte.
    »Jesus, Luke. Hör doch mal, was du da redest. Du benimmst dich total prollig. Wie ein Hooligan. Das bist doch nicht du. Was ist denn bloß los?«
    Luke setzte sich auf den umgekippten Baumstamm, auf dem er vor ein paar Minuten schon einmal gehockt hatte. Seine Hände zitterten so heftig, dass Hutch ihm das Zigarettenpäckchen aus den Fingern nehmen musste, um zwei Zigaretten anzuzünden. Für jeden eine.
    »Beruhige dich. Mach mal langsam. Entspann dich. Komm runter, Mann. Was ist denn bloß in dich gefahren?«
    Luke sagte nichts, rauchte seine Zigarette, inhalierte in kurzen Abständen bis ihm schwindelig wurde. So viel Kortison und Adrenalin waren jetzt in seinen leeren Magen geflossen zusammen
mit dem ganzen Schleim und dem Teer der Zigarette, dass er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen. Er zog seine Jacke bis zur Hüfte auf und beugte sich vor. Sog die kühle feuchte Luft ein und atmete tief durch. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so ausgelaugt gefühlt. Er fing an zu zittern.
    »Tja, ich schätze, das ist dann das offizielle Ende unserer Ferien«, sagte Hutch nach einigen Minuten des Schweigens.
    Luke versuchte zu grinsen, er schämte sich, und dann merkte er, dass er leise vor sich hinlachte. Hutch grinste ebenfalls,

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