Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

sich auf. »Na, dann los.«

    Sie gingen den Weg zurück zu den anderen beiden, die noch immer nicht in Sicht waren. Luke hielt an. »Ich halte mich mal lieber bedeckt und gehe voran.«
    »Gute Idee. Aber das bedeutet, dass ich hier hinten mit den Angsthasen gehen muss. Toll.«
    Luke wollte schon anfangen zu lachen, aber Hutch verzog kein bisschen das Gesicht, als er sich umdrehte und davonging.

23
    »Eigenartig, wirklich eigenartig, Kumpel«, sagte Hutch zu Luke, der so dicht neben ihm durch das Dickicht lief, dass er sich wie ein Kind fühlte, das hinter einem älteren Jungen herläuft.
    »Was?«
    Hutch hielt bei einem Steinhaufen an, der sich auf einem kleinen Hügel inmitten des überwucherten Friedhofs befand. Die Steine waren völlig überwuchert von dem hüfthohen Gestrüpp, das bis zu den flachen, quer liegenden Steinen an der Spitze reichte. »Das ist ein Kromlech, ein Megalithbau aus der Bronzezeit. «
    Luke blinzelte Hutch zu und zog heftig am Filter seiner Zigarette. Seine Lippen waren halb taub.
    »Das hier war das Dach.« Hutch klopfte auf den flachen Stein, der ganz oben lag. »Alle Steine sind über einem Erdhügel errichtet worden. Auf Grabhügeln. Deshalb wurden sie auf diese Weise zusammengefügt. Die Steine unter diesem flachen Bock waren die Seitenteile, aber sie sind umgekippt. Und hier drüben« – Hutch deutete mit seinem Stock zu einem weiteren Hügel – »ist noch einer. Ein Kromlech oder Dolmen. Das sind richtig alte Gräber, mein Freund.«
    Er drehte sich jäh um und zeigte mit dem Stock auf die Ansammlung von weißrindigen Birken und das Brombeergebüsch,
die weitere größere Steine eingrenzten, Steine, die mit Moos überzogen waren und sich auf der anderen Seite der Lichtung befanden. Sie waren einmal herumgelaufen auf der Suche nach noch mehr Runensteinen. »Und das ist ein teilweise eingefallenes Ganggrab. Ein ziemlich großes. Ganz sicher. Das dürfte mehr als sechs Meter lang sein. Du kannst die beiden aufrechten Steine sehen, die den Eingang markieren. Daran sieht man, dass es ein Ganggrab ist. Die gibt es überall in Schweden. Dolmen auch. Aber normalerweise nicht am gleichen Ort. Ganggräber wurden in der Eisenzeit angelegt.«
    Er drehte sich um, mit ernstem Gesicht. »Und wenn du dich mal umschaust, diese langen flachen Steine, über die wir gestolpert sind, das sind Teile von aufrechten Steinsärgen. Die wurden wesentlich später gebaut. Ich schätze, wir können nur wenige von den Runensteinen überhaupt sehen. Die anderen liegen bestimmt zwischen den Bäumen versteckt. Aber ich wette, dass sie einen Kreis bilden. Sie umfassen einen viel älteren Platz, zu dem die Kromleche und Ganggräber gehören.
    Und schau dir mal die Bäume an. Das sind Kastanien. Eichen. Ebereschen und auch Birken. Die wirken wie eine Einfassung. Wie eine Grenze, die dazu dient, für Ruhe im inneren Kreis zu sorgen. Auch auf christlichen Friedhöfen gibt es so etwas. Diese Bäume wurden wesentlich später gepflanzt. Wahrscheinlich als die Kirche gebaut wurde, irgendwann in den letzten Jahrhunderten. Das ist ja total spannend. Was für eine Entdeckung.«
    Luke erwiderte nichts, sah einfach nur Hutch an, dessen Gesicht vor Begeisterung angespannt war.
    »Die Steinzeitgräber dürften schätzungsweise dreitausend Jahre vor Christus errichtet worden sein. Sie sind so alt, dass sie wie eine bloße Ansammlung von Steinen aussehen. Ich wäre glatt daran vorbeigelaufen, wenn wir die Runensteine und die Kirche nicht bemerkt hätten. Die Kromleche und Ganggräber werden im Laufe der Zeit natürlich völlig verdeckt, und die Steine fallen
auseinander. Nur wenige Teile sind überhaupt noch sichtbar im Normalfall, verstehst du? Aber hier ist alles ziemlich gut erhalten worden. Nicht vor kurzem, aber in den letzten Jahrhunderten. Die Gräber wären nicht so intakt, wenn sich niemand darum gekümmert hätte. Offensichtlich haben die Leute über viertausend Jahre hinweg diese Anlage gepflegt. Das muss so gewesen sein. Bis eines Tages die Kirche verlassen wurde und die Grabsteine umgekippt sind.«
    Luke schaut ihn aufmerksam an, in Erwartung einer abschließenden Einschätzung, die etwas Licht darauf warf, wie dies alles ihnen helfen könnte, aus dem Wald zu kommen. Er wollte auf keinen Fall, dass Hutchs Begeisterung damit endete, dass sie sich in einem Urwald verlaufen hatten, in dem eine unbekannte viertausend Jahre alte Kultstätte mit Gräbern lag. Und dass sie sechs Stunden lang einem Pfad gefolgt waren, der sie