Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
ein ganz schönes Tempo vorlegten. Sie hielten die Köpfe gesenkt, die Schultern gebeugt. Dünne Zweige peitschten in ihre Gesichter, ihre Schnürsenkel gingen auf, aber sie liefen einfach weiter. Immer weiter, bis Hutch auf einer kleinen Lichtung anhielt, aufseufzte und die Hände auf die Knie stützte. Um sie herum war alles bräunlich verfärbt, das tote Gehölz und die Haufen abgestorbener Blätter reichten weniger hoch, und hier gab es keine stacheligen Büsche, die sich an ihren Socken festkrallten, ihre Haut zerkratzten oder sogar ihren Weg unter die Hemden und Hosen fanden.
    Luke sprach zum ersten Mal, seit sie auf den seltsamen Kadaver gestoßen waren. Er rang nach Atem, versuchte aber dennoch, zuerst eine Zigarette anzuzünden. Leider gelang ihm das nicht sofort. Er musste sein Zippo viermal aufschnippen, bis er endlich den Rauch durch die Nase blasen konnte. »Vermutlich ein Jäger.«
    »Hier kann man nicht jagen«, widersprach Hutch.

    »Dann eben ein Bauer.«
    »Aber warum sollte es jemand da oben hinhängen?«, fragte Dom.
    Hutch setzte seinen Rucksack ab. »Wer weiß. In diesem ganzen Naturpark wird nichts kultiviert. Das ist absolute Wildnis. Darum geht es ja gerade. Ich könnte jetzt auch mal eine Zigarette gebrauchen.«
    Luke strich sich mit der Hand über die Augen. Tränen rannen ihm über die Wangen. Kleine Stücke von zerbröselter Baumrinde waren unter seine Augenlider geraten. »Ein Wolf hat das Ding getötet. Es war ein Elch oder ein Hirsch. Und … irgendwas hat den Kadaver in den Baum gehängt.« Er warf Hutch ein Päckchen Camels zu.
    Hutch hob die Zigarettenpackung vom Boden auf.
    Phil verzog das Gesicht und starrte seine Füße an. »In einem Wald gibt es immer einen Wildhüter oder einen Förster. Könnte der vielleicht …«
    Hutch zuckte mit den Schultern und zündete sich eine Zigarette an. »Würde mich nicht wundern, wenn wir die ersten Menschen wären, die diesen Wald hier durchqueren. Ehrlich. Überlegt doch mal, wie groß diese Provinz ist. Siebenundzwanzigtausend Quadratkilometer. Größtenteils unberührte Natur. Wir sind mindestens fünf Kilometer von dem Pfad entfernt, den wir genommen hatten. Und der sah auch kaum benutzt aus.«
    Luke stieß den Rauch aus und überlegte weiter. »Ein Bär. Vielleicht hat ein Bär das Ding da oben reingehängt. Damit es ihm niemand wegfrisst, unten auf dem Erdboden.«
    Hutch sah das Ende seiner Zigarette an und runzelte die Stirn. »Vielleicht. Aber gibt es hier in Schweden so große Bären?«
    Dom und Phil setzten sich hin. Phil krempelte sich die Ärmel bis zum Ellbogen auf und entblößte seine dicklichen weißen Unterarme. »Ich bin total zerkratzt.«
    Dom war völlig bleich im Gesicht. Sogar seine Lippen waren
weiß. »Hutch! Ich schieb dir diese verdammte Karte in deinen Yorkshire-Arsch.« Er sprach oft in dieser Art mit Hutch. Luke wunderte sich immer wieder über seine verbalen Ausbrüche und die brutale Ausdrucksweise. Aber trotzdem schwang bei diesen Gesprächen niemals echter Hass mit, es schien eher Ausdruck ihrer Vertrautheit zu sein. Es bedeutete, dass Dom und Hutch sich inzwischen näherstanden als er und Hutch. Dabei hatte er Hutch immer für seinen besten Freund gehalten. Dass Dom und Hutch sich so nahe waren, machte ihn eifersüchtig. Sie alle kannten sich bereits seit fünfzehn Jahren, aber Dom und Hutch waren immer noch so vertraut miteinander wie damals auf der Universität. Sie teilten sich sogar das Zelt. Luke und Phil fühlten sich bei diesem Arrangement übergangen. Luke wusste, dass Phil das genauso empfand, auch wenn es unmöglich war, dies zuzugeben, ohne dass es unangenehm und beleidigend geworden wäre.
    Dom zog einen seiner Stiefel aus. »Erholungsurlaub, du Wichser. Wir haben uns verlaufen. Du hast nicht die geringste Ahnung, wo wir sind, stimmt’s, du Matschbirne?«
    »Dom, mach mal halblang. Nur ein Stückchen weiter nach da« – Hutch deutete in die Richtung, in die sie sich die ganze Zeit vorgekämpft hatten – »und wir erreichen das Flussufer. Dort bekommst du eine fette Portion Bohnen mit Wurst, und alles wird gut. Vier stramme Schwedinnen bauen da gerade ihr Zelt auf und fachen schon mal das Lagerfeuer an. Entspann dich, Kumpel.«
    Phil lachte auf. Luke grinste vor sich hin. Dom fühlte sich verpflichtet mitzumachen, aber schon nach wenigen Sekunden war auch sein Lachen echt und herzlich. Schließlich grölten sie alle, über sich, ihre Angst und das Ding im Baum. Jetzt, wo sie es hinter sich

Weitere Kostenlose Bücher