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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Trage holt, Hutch. Ich kann mein Bein kaum noch bewegen. Das ist kein Scherz. Es ist total steif geworden.«
    »Wir haben es jetzt nicht mehr weit«, sagte Hutch. »Der Fluss muss bald kommen.«

4
    Vier Kilometer östlich des Dings im Baum stießen sie auf ein Haus.
    Sie hatten sich weitere vier Kilometer einen Weg durch Efeugestrüpp und Nesseln gebahnt, waren über geborstene Baumstämme und durch ein ganzes Meer von feuchtem Blattwerk sowie nahezu undurchdringliches stacheliges Dickicht gestiegen. Wie überall sonst, waren auch hier die Jahreszeiten durcheinandergeraten. Der Herbst hatte erst sehr spät begonnen, nach dem feuchtesten Sommer seit Anfang der Wetteraufzeichnungen in Schweden, und der mächtige Wald fing gerade erst an, die ersten abgestorbenen Blätter fallen zu lassen. Alle Männer waren sich einig, dass es »höllisch düster« war. Das Blätterdach der dicht stehenden Bäume ließ nur wenig Tageslicht auf den unwegsamen Waldboden fallen. Hutch kam es mehr und mehr so vor, als würden sie unter dem grünen Gewölbe immer tiefer in etwas hineingeraten, das sich um sie herum zusammenzog. Obwohl sie nach lichten Stellen mit Ausblick auf den Himmel suchten, gerieten sie mit jedem Schritt in noch lichtärmere und unwegsamere Regionen.
    Vom Spätnachmittag bis zum frühen Abend wurde alles immer schlimmer. Inzwischen waren sie viel zu müde, um etwas anderes zu tun, als weiter voranzustolpern und Flüche auszustoßen,
wenn Astspitzen ihnen ins Gesicht stachen oder Dornen die Haut ritzten. Schließlich kamen sie überhaupt nicht mehr weiter. Also kehrten sie um, um es von einer anderen Stelle aus zu probieren. Sie umgingen größere Hindernisse, darunter gigantische, prähistorisch anmutende Baumstämme, die vor vielen Jahren umgefallen waren und von glitschigen Flechten überwuchert wurden. Verzweifelt irrten sie orientierungslos umher und versuchten, den wuchernden Astbarrieren und dem undurchdringlichen Gewirr der Zweige und der Dornenbüsche, die sämtliche Lücken zwischen den Baumstämmen versperrten, auszuweichen. Die Äste über ihnen senkten sich, beschwert vom unaufhörlich herabprasselnden Regen, immer weiter herab und bombardierten sie mit eiskalten Tropfen, groß wie Murmeln, was ihr Elend nur verstärkte.
    Kurz vor sieben Uhr stolperten sie plötzlich über etwas, mit dem sie überhaupt nicht mehr gerechnet hatten. Einen Pfad. Schmal, aber immerhin breit genug, dass sie hintereinander gehen konnten, ohne sich bücken zu müssen oder nach hinten gerissen zu werden, weil sich mal wieder ein herabhängender Ast im Rucksack verfing.
    Zu diesem Zeitpunkt war Hutch ziemlich klar, dass keiner von ihnen sich dafür interessierte, wohin dieser Weg führte. Sie wären sogar nach Norden gelaufen, so froh waren sie, endlich wieder aufrecht und in einer Reihe gehen zu können. Selbst wenn der Weg sie nun weiter östlich oder sogar in westliche Richtung lenkte statt nach Süden, wohin sie eigentlich wollten, gab der Wald ihnen endlich eine Möglichkeit voranzukommen. Wo genau sie sich befanden, darüber würde er später nachdenken – dann konnten sie sich nach Osten wenden, um die erzwungene Abweichung nach Nordwesten zu kompensieren. Irgendjemand war vor ihnen schon hier gewesen, und so wie der Pfad aussah, führte er an ein Ziel. Raus aus diesem dunklen und erdrückenden Niemandsland.

    Tatsächlich brachte er sie zu einem Haus.
    Ihre Rucksäcke waren durchnässt. Kleine Bäche von Regenwasser liefen an ihren Jacken hinab und durchdrangen die Hosen an den Oberschenkeln. Phils Jeans war schwarz vor Feuchtigkeit – genau jene Jeans, vor der Hutch ihn in Kiruna gewarnt hatte, er solle sie keinesfalls bei Regenwetter tragen. Das Wasser troff von den Jackenärmeln auf ihre zerkratzten roten Hände. Und es war unmöglich zu sagen, ob es der Regen war, der ihre Fleece-Pullover und die Unterwäsche unter ihren Gore-Tex-Jacken durchtränkte, oder der Schweiß. Sie waren dreckig, völlig durchgeweicht und erschöpft. Und keiner hatte Lust, Hutch zu fragen, ob sie nicht bald mal ein Zelt hier mitten im Wald aufbauen sollten. Aber sie dachten alle darüber nach, und das wusste er auch. Auf beiden Seiten des Pfads war das Gestrüpp hüfthoch. Genau in diesem Augenblick, als sich Hutchs Magen meldete und er in Panik geriet, weil die Situation ihn an seine Kindheit erinnerte und ihm klar wurde, dass er durch seine Fehlentscheidung das Leben seiner drei Freunde in Gefahr gebracht hatte, stießen sie auf das

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