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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Richtung war noch möglich. In ihm war nichts mehr außer der langsam abflauenden Kraft seiner Glieder und das Abklingen der Gedanken in seinem Kopf.
    Aber was war das für ein Ding, das da plötzlich auftauchte, mit dem lodernden Höllenfeuer hinter seinem langgestreckten Körper? Es war so groß wie drei ausgewachsene Männer, die auf den Schultern übereinander standen. Dort am Rand des schwarzen Waldes konnte er es sehen. Was war das nur, das dort den breiten Raum zwischen zwei gigantischen Bäumen ausfüllte? Es war gar nichts. Denn als er versuchte, das undeutliche Bild klarer zu fassen, verschwand diese Gestalt wieder und übrig blieb nur der scharlachrote Himmel.
    Aber das Bellen, das er ganz in der Nähe hörte, war kein Produkt seiner Einbildung. Nein, das war etwas, das er auch vorher schon gehört hatte. Dieses hündisch-ochsenartige Keuchen, das von einem Ding stammte, von dem kein Wanderer, der es zufällig zu Gesicht bekam, je erzählen konnte, und doch war es wirklich. So wirklich wie diese raue Rinde, die gegen sein Rückgrat drückte, und der kalte Wind, der über sein feuchtes Gesicht strich.
    Ohne seinen übrigen Körper auch nur im Geringsten zu bewegen, streckte er den Arm aus, mit dem er das Messer hielt. Er deutete damit auf die nebelverhangene Baumreihe, über die sich der karmesinrote Feuerschein des beginnenden Tages ergoss
und sich seinen Weg durch die dunklen Zweige und Äste bahnte.
    Er musste wohl ohnmächtig geworden sein und aufgehört haben zu atmen, denn er wachte mit einem Mal vom Geräusch seines eigenen Luftschnappens auf und fragte sich, ob er das alles nur geträumt hatte. Was hatte ihn aus diesem Versinken in einer endlosen Dunkelheit, in der er nicht mehr atmen konnte, herausgeführt? Eine Stimme. Er hatte jemanden sprechen gehört.
    Aber er konnte ihm nicht genug Aufmerksamkeit widmen, sein Kopf fiel wieder nach vorn. Er spürte, wie sein Kinn auf die Brust sank, und schloss sein gesundes Auge. Noch immer hielt er das Messer in der Hand, aber er konnte den Arm nicht mehr heben, während die Stimme näher kam. Sie war jetzt ganz nah. Sie rief etwas. Sprach ihn an. Ganz sanft. In einem Ton wie ein Liebender den anderen anspricht, als wäre Musik in seiner Stimme. Aber sie kam nicht schnell genug heran, um ihn aus dieser warmen, erdrückenden Dunkelheit zu holen, in der er jetzt versank.

ZWEITER TEIL
SÜDLICH DES HIMMELS

46
    Sie kamen näher.
    Stimmen.
    Schritte.
    Leute.
    Ein Gemurmel auf Schwedisch oder Norwegisch außerhalb dieser warmen schweren Dunkelheit, die ihn umfing. Eine Frau, jung. Und … zwei Männer mit tieferen Stimmen. Er spürte ihre Gegenwart über sich. Die Stimmen kamen näher und waren schließlich dicht vor seinen Füßen.
    Er lag auf dem Boden. Seine Beine und der Rücken waren steif, aber er war auf einen weichen Untergrund gesunken. Unter seinen Schultern und seinem Hintern brannte die Haut, wenn sie etwas berührte … etwas Gepolstertes.
    Jemand hatte etwas um seinen Kopf geschlungen, er spürte, dass da etwas war, das einen leichten Druck ausübte. Er konnte die Größe davon abschätzen, es saß auf seinem Kopf wie ein zu großer Hut, der bis über seine Augen gerutscht war.
    Als er versuchte, die Augen zu öffnen, spürte er, dass die Lider sich dagegen sträubten. Sie waren zugeklebt. Er bekam ein Augenlid ein kleines Stückchen weit auf, und ein weißer schmerzhafter Blitz schoss durch seine Pupille. Er schloss das Auge wieder. Wenn er den Kopf bewegte, würde er wahrscheinlich
schlimme Schmerzen spüren, Schmerzen, die nicht mehr aufhörten. Das wusste er auch, ohne es auszuprobieren.
    Er schnappte nach Luft. Versuchte zu sprechen. Aber aus dem ausgedörrten, brennenden Ort, der seine Kehle war, drangen keine Worte. Ein Rascheln und ein leises Schleifen, als würde ein langes schweres Kleid über einen Holzboden gezogen, kamen aus der Dunkelheit heran und verstummten neben ihm. Eine kleine, trockene Hand berührte seine Wange, um ihn zu beruhigen. Jemand bat ihn, sich nicht zu bewegen. Eine ältere Stimme machte besänftigende Geräusche.
    Bevor er sich überhaupt an irgendetwas erinnern konnte, das vor diesem Moment geschehen war, sank er zurück in die heilende Finsternis und ihre wohltuende Wärme.

47
    Er wachte auf und war so durstig, dass er nicht schlucken konnte und seine Lippen sich wie hauchdünnes Reispapier anfühlten, das jeden Augenblick zerreißen konnte. Es war jetzt später als zuvor, viel später. Eine längere Periode des

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