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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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zwischen ihren Lippen das Licht der Welt erblickt. Sie bedachte mich mit einem leicht verschwommenen Blick aus ihren blauen Augen und erschauderte.
    »Arschkalt heute Abend, nicht?« Ihre Zähne klapperten hörbar, als sie sprach.
    »Gehen Sie ruhig wieder rein. Machen Sie sich keine Gedanken über mich.«
    Sie sah mich an, als wäre ich schwer von Begriff. »Das kann ich nicht, Schätzchen. Weil ich schließlich bei der Arbeit bin.«
    »Bei der Arbeit?«
    Sie nickte in Richtung der langsam an uns vorbeifahrenden Wagen. »Vielleicht verpasse ich dann einen meiner Stammkunden.«
    Ich sah mir noch einmal ihr Outfit an. Sie trug durchsichtige schwarze Strümpfe, Schuhe mit Stöckelabsätzen, einen leuchtend roten Lippenstift und dicken schwarzen Kajal.
    »Tut mir leid«, murmelte ich. »Mein Gehirn kriegt gerade nicht genügend Sauerstoff.«
    Auf der anderen Straßenseite hielt ein Wagen, dessen Fahrer sein Fenster ein Stückchen öffnete, bevor er eilig weiterfuhr.
    »Echt charmant.« Sie schickte dem davonbrausenden Wagen das Siegeszeichen hinterher.
    »Wie lange machen Sie das schon?«, erkundigte ich mich.
    »Länger, als mir lieb ist«, antwortete sie, wobei ihr das Lächeln leicht entglitt. »Haben Sie von dem Mädchen in Crossbones gehört?«
    Ich überlegte kurz, ob ich ihr beichten sollte, dass ich das Mädchen gefunden hatte, ließ es dann aber lieber sein. »Haben Sie sie gekannt?«
    Sie schüttelte den Kopf, nestelte in ihrer Handtasche und zog ein Päckchen Silk Cut daraus hervor. »Danach habe ich mich erst mal nicht mehr vor die Tür getraut, das kann ich Ihnen sagen.«
    Ich dachte an das Mädchen, das mit aufgerissenen Augen in der Schublade im Leichenschauhaus lag, obwohl es für sie, abgesehen von der Innenseite ihres Leichensacks, nichts mehr zu sehen gab.
    »Ich höre im September auf.« Ihre milchigen Augen flackerten. »Ich habe nämlich einen Platz in der Friseurklasse am College.«
    »Toll.« Ich nickte anerkennend mit dem Kopf. »Wie heißen Sie überhaupt?«
    »Michelle.«
    Mir blieb keine Zeit mehr, um mich vorzustellen, weil in diesem Augenblick ein schwarzer Wagen in der Nähe hielt und zweimal aufblinkte. Das Gesicht des Fahrers war im Dunkeln nicht zu sehen.
    »Das ist einer meiner Freier.« Michelles Miene wurde kühl, und sie trat ihre Zigarette mit der Spitze eines ihrer Schuhe aus.
    »Danke für die Gesellschaft«, sagte ich.
    »Geben Sie das Joggen besser auf, Schätzchen«, empfahl Michelle mir grinsend. »Dafür sind Sie eindeutig nicht fit genug.«
    Sie stolzierte auf den Wagen zu, beugte sich durchs Fenster und verhandelte mit dem Schmierlappen hinter dem Steuer über den Preis.
    Ich erwog, sie kurzerhand zurückzurufen und ihr Geld dafür zu geben, dass sie, statt bei diesem Typen einzusteigen, auf direktem Weg nach Hause ging, aber dann wäre sie trotzdem morgen Abend wieder da und ging weiter ihrer Arbeit nach. Deshalb beugte ich mich einfach wieder vor, dehnte mich, und als ich wieder aufsah, war der schwarze Wagen bereits weg.
    Will war immer noch da, als ich nach Hause kam. Er saß mit Lola vor der Glotze und sah mit der sauberen Jeans und ohne den zerzausten Bart vollkommen verändert aus.
    Lola riss ihren Blick vom Bildschirm los, als ich reinkam. »Wir haben dir Pizza aufgehoben, Al.«
    In der Küche nahm ich eine dick mit Schinken und Salami belegte Scheibe aus dem Pappkarton, hatte jedoch kaum zum zweiten Mal hineingebissen, als das laute Knallen meiner Wohnungstür an meine Ohren drang.
    »Meine Güte.« Lola spähte aus dem Fenster. »Der war ja schnell wie ein geölter Blitz.«
    Ich nickte zustimmend. »So ist es jedes Mal. Du denkst, er ist okay, und dann siehst du ihn wochenlang nicht mehr.«
    Wir verfolgten, wie Wills Bus mit quietschenden Reifen um die Ecke bog.
    »Er fing gerade an, sich zu entspannen.«
    Lola hatte Tränen in den Augen, und ich legte tröstend einen Arm um sie. »Du hast deine Sache wirklich gut gemacht. Du hast ihn sogar dazu gebracht, ein Bad zu nehmen. Das hat er für mich noch nie gemacht. Du musst ganz besondere Kräfte haben.«
    »Ich will ihm nur helfen, weiter nichts.«
    »Ich habe vorhin in seinen Rucksack geguckt, als er geschlafen hat.«
    »Hast du das Zeug gefunden, das er eingeworfen hat?«
    »Er hat ein Messer, Lo. Ein ekelhaftes Messer mit einer furchtbar langen Klinge.«
    »Mein Gott, der arme Kerl.« Lola schlug sich die Hand vor den Mund.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Er hat eine Heidenangst. Er bildet sich ein, dass ihm

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