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Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
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dass er eine längere Pause brauchte. Während er rastete, redete er ununterbrochen auf Kolja ein und legte irgendwelche Schwüre ab.
    Dann begann er, das Grab zu scharren. Die Grube wollte einfach nicht tiefer werden. Tolik hatte – gefühlt – schon eine Tonne Erde bewegt, doch als er mit den Fingern in die Grube griff, wurde ihm klar, dass er kaum zehn Zentimeter geschafft hatte.
    Nach einer schier endlosen Plackerei legte er schließlich den Leichnam ins Grab und deckte ihn mit Erde ab . A ls er fertig war, legte er sich völlig entkräftet daneben. Er konnte keinen Finger mehr rühren.
    Tolik sank bereits in die Bewusstlosigkeit, als ihn ein letzter Gedanke schlagartig wieder aufweckte: Wenn du diesen unterirdischen Friedhof nicht auf der Stelle verlässt, bist du verloren. Wenn du nicht Hungers stirbst, rafft dich das Fieber dahin.
    Er stand auf und ging . A nfangs fiel er noch alle zehn Meter hin, doch mit der Zeit arrangierte er sich. Wenn er merkte, dass ihn die Kräfte verließen, setzte er sich auf den Boden und wartete, bis der Schwächeanfall vorüberging.
    Der Friedhof der Lubjanka lag bereits weit hinter ihm, doch die eigentliche Metro hatte Tolik noch immer nicht erreicht. Er irrte durch gleislose Tunnel und landete in Kammern, die nicht einmal entfernt an Betriebsräume erinnerten.
    Der quälende Hunger, der ihn anfangs auf Schritt und Tritt begleitet hatte, war inzwischen verflogen. Tolik spürte lediglich eine gewisse Leere im Magen. Er schlief auf dem Boden und stillte seinen Durst, indem er die feuchten Wände ableckte. Immer wieder sah er in der Nähe rote Punkte leuchten – die Knopfaugen umherstreunender Ratten. Mit der Zeit gewöhnte er sich daran und nahm überhaupt keine Notiz mehr von den Nagern.
    Er lief und lief, ohne auch nur einen einzigen normalen Tunnel zu finden. Manchmal war Tolik der Verzweiflung nah. In solchen Momenten dachte er, er sei gestorben und bereits im Jenseits unterwegs.
    In einem Buch hatte er den Spruch gelesen, dass die Hölle ewige Wiederholung sei. Wenn das stimmte, dann lief er jetzt im Reich der Toten im Kreis und kam immer wieder an den Ausgangspunkt zurück.
    Irgendwann konnte Tolik nicht mehr und schwor sich, keinen Schritt weiter zu gehen. Er wollte sich nur noch ein Plätzchen suchen, um dort für immer sitzen zu bleiben.
    Auf einmal erblickte er ein Lagerfeuer. In der Dunkelheit züngelten Flammen, und sie verschwanden auch nicht, als er sich ungläubig die Augen rieb. Er brauchte nur hinzugehen, doch er zögerte noch, unfähig, sein Glück zu fassen.
    Er klopfte sich notdürftig den Schmutz von der Kleidung und strich seine Haare glatt.
    Als er sich dem Feuer näherte, ratschte der Spannhebel eines Sturmgewehrs und eine drohende Stimme bellte ihn an. Kein Grund zur Beunruhigung – ein Kontrollposten. Tolik nahm die Arme hoch und blieb stehen.
    Ein Typ mit einer Taschenlampe, der hinter den Sandsäcken hervorkam, schien sich weniger für den Ankömmling als für dessen Augen zu interessieren . A us allen möglichen Winkeln leuchtete er mit seiner Lampe hinein . A ls Tolik genug hatte von der befremdlichen Prozedur und zu einem vorsichtigen Protest ansetzte, ließ der Mann endlich von ihm ab und winkte ihn weiter.
    Einen solchen Kontrollposten hatte Tolik noch nie gesehen. Die Sandsäcke waren hier kreisförmig angeordnet, als erwarteten die Wachen einen Angriff von allen Seiten.
    Tolik hatte schon lange keine Menschen mehr gesehen und musterte die Männer mit unverhohlener Neugier. Sie trugen allesamt erbärmliche Klamotten. Doch was sie einander so ähnlich machte, war weniger die Kleidung als ihr Gesichtsausdruck, aus dem totale Erschöpfung sprach.
    Tolik versuchte, ein Gespräch anzufangen, um wenigstens zu erfahren, wo er sich befand. Doch niemand schien Lust zu haben, sich mit ihm zu unterhalten. Immerhin bekam er heraus, warum die Wachen sich auf eine Rundumverteidigung eingerichtet hatten.
    »Sie können aus jeder Richtung kommen«, erklärte ein Typ mit Vollbart, der gerade ein Maschinengewehr nachlud. »Spekulieren bringt nichts. Wenn wir uns auf eine Seite festlegen, kommen sie garantiert von der anderen.«
    Tolik fragte lieber nicht nach, wer mit »sie« gemeint war. Er befürchtete, mit einer solchen Frage als Vollidiot dazustehen. Früher oder später würde er ja sehen, wer »sie« waren.
    Die angespannte Stimmung unter den Soldaten ließ vermuten, dass der Angriff unmittelbar bevorstand. Tolik kaute an einem Stück ranzigen Speck, das

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