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Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
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nicht. Kaum hatten sie den Bahnsteig betreten, schien Krabbe den Zweck seines Kommens völlig vergessen zu haben. Wie ein Hund, der Witterung aufgenommen hatte, blähte er die Nase und linste rastlos umher.
    Sein besonderes Interesse weckten gut gekleidete Männer mit speckigen Gesichtern, in denen er Angehörige der Hanse vermutete. Jedes Mal, wenn der Dieb einen hochwertigen Rucksack erspähte, lief ihm förmlich der Geifer aus dem Mund. Tolik zog ihn immer wieder am Ärmel, um auf sich aufmerksam zu machen. Es hätte gerade noch gefehlt, dass man ihn an dieser streng geführten Station ohne Papiere aufgriff! Seine Bemühungen fruchteten jedoch wenig. Krabbe blieb an jedem halbwegs begütert aussehenden Passanten hängen.
    Tolik sah mehrmals Patrouillen und rechnete jeden Augenblick damit, nach seinem Ausweis gefragt zu werden. Doch alles ging gut.
    Die Patrouillensoldaten hielten ihn offenbar für einen gewöhnlichen Penner und fanden nichts Verdächtiges an ihm. Normale Passanten machten ohnehin einen großen Bogen um Tolik. Die Belorusskaja war – bei aller Kritik – immer noch eine der zivilisiertesten Stationen. Tolik dagegen war der Zivilisation in jenem Augenblick entrückt, als er in die Grube mit den Gebeinen sprang. Mit seinem unnatürlich grauen Haar und seinen abgetragenen, nach altem Schweiß stinkenden Klamotten befand er sich gleichsam unter einer Käseglocke, die zu lüften keinem normalen Menschen in den Sinn gekommen wäre.
    Egal … Bald würde er Arschinow treffen. Bei dem bekam er heißes Wasser, saubere Kleidung, Papiere und ein anständig geschmiertes Sturmgewehr.
    Sie mussten nur noch den letzten Kontrollposten passieren. Dort hatte sich eine Schlange gebildet. Im Unterschied zu ihren Kollegen verrichteten die Wachen an diesem Posten ihren Dienst akkurat: Sie kontrollierten die Pässe und tasteten das Gepäck nach Waffen ab.
    Krabbe schien das überhaupt nicht zu beunruhigen . A nscheinend besaß er auch für die versteinerten Herzen dieser Grenzer einen Spezialschlüssel. Tolik hielt sich wie abgemacht hinter seinem Begleiter und freute sich schon auf das bevorstehende Treffen mit Arschinow.
    In diesem Moment lief doch noch etwas schief.
    Tolik erstarrte vor Schreck, als er bemerkte, wie Krabbe seine kleptomanische Pfote in den Rucksack seines Vordermanns schob. Es war zu spät, den Dieb zu stoppen. Blieb nur, auf die Geschicklichkeit des notorischen Langfingers zu hoffen. Doch an diesem Tag stand Krabbe nicht mit dem Glück im Bunde.
    »Aha, erwischt! Dich suche ich schon lange, du Mistkerl! Patrouille! Ich habe einen Dieb gefangen!«
    Ein drahtiger, kahlköpfiger Mann, der sich von hinten angeschlichen hatte, packte Krabbe am Schal. Patrouillensoldaten, die seinen Ruf gehört hatten, kämpften sich bereits durch die Menge. Tarnanzüge, Sturmgewehre … Die hatte Krabbe bestimmt nicht angefüttert.
    Was nun?
    Krabbe war nicht auf den Kopf gefallen. Geschickt entwand er sich dem Griff des Spielverderbers, rammte ihm einen Finger ins Auge und lief davon. Dem couragierten Bürger blieb nur der edle Strickschal als Trophäe.
    Die Wachen am Kontrollposten zögerten kurz, und der Bandit nutzte das eiskalt aus: Er sprang über die Sandsäcke und machte sich aus dem Staub.
    Tolik räumte die vor ihm stehenden Leute aus dem Weg und sprang ebenfalls über die Säcke . A llerdings nicht so leichtfüßig wie Krabbe. Die ungeschnürten Stiefel machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Er blieb an den obersten Sandsäcken hängen und purzelte aufs Gleis.
    Zum Glück hatte Krabbe ein totales Chaos ausgelöst. Gleich mehrere Wachen stürzten gleichzeitig los, um Tolik zu verhaften . V or lauter Eifer rannten sie sich gegenseitig über den Haufen. Das verschaffte dem Flüchtenden wertvolle Sekunden. Er rappelte sich wieder auf und lief davon – hinter ihm die Schreie und das Getrampel der Verfolger, vor ihm das Knallen von Krabbes beschlagenen Stiefeln.
    Tolik holte den Banditen rasch ein und fasste ihn an der Schulter. Krabbe wähnte sich im Zugriff der Patrouille und schlug blindlings nach hinten aus. Seine Faust landete genau in Toliks Gesicht . A ls er sich kurz darauf doch noch umdrehte und das bekannte Gesicht erblickte, setzte er ein scheinheiliges Grinsen auf.
    »Ach du bist’s, Tom! Du bist ja ein Supersprinter!«
    »Ich geb dir gleich einen Supersprinter!«
    Tolik packte Krabbe am Aufschlag seines grünen Sakkos und rüttelte ihn durch, als wollte er ihm die Seele aus dem Leib schütteln.

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