Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
Vom Netzwerk:
A b und an nickte er Bekannten zu. Im »Audienzbereich« des Paten verlangsamte er den Schritt und blieb fünf Meter vor dem Diwan stehen.
    »Hallo, Kreuz. Ich hätte hier einen Kunden.«
    Nachdem er Tolik auf diese Weise vorgestellt hatte, verschwand Krabbe in der Menge. Kreuz zog seine buschigen Augenbrauen hoch und musterte den Gast von Kopf bis Fuß.
    »Na, wie heißen wir denn, Grünschnabel? Und wo kommen wir her?«
    Tolik ärgerte sich über den herablassenden Ton. Trotzdem verkniff er sich eine patzige Antwort. Es brachte nichts, hier einen auf cool zu machen und den Tiger völlig ohne Not zu reizen.
    »Anatoli. Ich komme von der Woikowskaja .«
    »Aha . A narchie ist die Mutter der Ordnung und so weiter. Du bist also einer von Nestors Falken?«
    Tolik nickte.
    »Ich bin an der Roten Linie in Schwierigkeiten geraten und habe meine Papiere verloren. Ich brauche einen Pass, um durch die Belorusskaja zu kommen. Bezahlen kann ich aber erst auf der anderen Seite.«
    »Sieh dich ein bisschen um, während ich das mit meinen Leuten bespreche«, verfügte Kreuz.
    Tolik trat den Rückzug an und hockte sich an den Rand eines Tischs, an dem mit Hingabe eine Partie »Siebzehn und vier« gespielt wurde. Sofort richteten sich sieben Augenpaare auf den Ankömmling und musterten ihn misstrauisch. Tolik bemühte sich, keine Miene zu verziehen. Wäre er nicht zu Kreuz gekommen, hätte dieses Blickduell wohl ein böses Ende genommen. Nach einer gefühlten Ewigkeit wandten sich die Spieler endlich wieder ihren Karten zu.
    Tolik atmete auf und riskierte einen Seitenblick zu Kreuz. Um den Boss hatten sich einige furchterregende Gestalten versammelt, die lebhaft gestikulierend auf ihren Anführer einredeten. Kreuz hörte seinen Ratgebern aufmerksam zu. Hin und wieder nickte er und schaute über ihre Köpfe hinweg zu Tolik herüber. Worüber redeten diese Leute? Was gab es über einen namenlosen Herumtreiber so lange zu besprechen?
    Die Ungewissheit nagte an Tolik, und seine Klamotten waren schweißgebadet. Mit Banditen hatte er noch nie zu tun gehabt . V ermutlich waren sie nicht schlechter organisiert als die Anarchisten. Zwar verfügten sie über weniger Kämpfer und Tatschankas, dafür hatten sie sicher an allen Stationen ihre Leute sitzen – bei den Roten, bei den Faschisten, bei den diversen Sektierern. Wie ein Lymphsystem, das den gesamten Organismus durchdringt und doch unsichtbar bleibt. In diesem Fall ein entzündetes, eitriges Lymphsystem.
    Was, wenn der Banditenrat es für das Beste hielt, den verdächtigen Unbekannten einfach zu beseitigen? Diese Bastarde wussten bestimmt jede Menge Plätze, an denen man ihn geräuschlos verschwinden lassen konnte – ohne Begräbnis und Sündenablass. Das konnte schneller gehen als gedacht: ein Messer in den Bauch und Schluss, aus, Sense.
    »He, du Anarchist! Komm mal her …«, rief Kreuz und winkte ihn mit einer lässigen Geste herbei.
    Als Tolik wieder vor dem Gangsterboss stand, hatte er keine Lust mehr auf die Rolle des billigen Opfers. Bei den Banditen galten einfache Regeln: Wer Schwäche zeigte, kam unter die Räder. Tolik stellte sich kerzengerade hin und schaute Kreuz scharf in seine trüben Augen.
    Der Gangsterboss hatte es überhaupt nicht eilig und spielte aufreizend mit seinem Kettchen herum. Schließlich grinste er breit und entblößte eine Reihe blitzender Eisenzähne.
    »Du bist ein dreister Strolch, das sieht man dir an. Wir lassen dich trotzdem am Leben. Mit Nestor hätte ich eigentlich ein paar Rechnungen offen – noch aus dem Bürgerkrieg . A ber damit hast du nichts zu tun. Zisch ab zur Belorusskaja . Einen Pass brauchst du nicht. Krabbe wird dich führen und das Honorar kassieren . A ber ich warne dich: Falls er mit leeren Händen zurückkommt oder rein zufällig den Löffel abgibt – ich finde dich im hintersten Winkel der Metro. Solltest du irgendwas im Schilde führen, kannst du dein Testament machen.«
    Nachdem Kreuz seine Entscheidung kundgetan hatte, schloss er gestresst die Augen und gab mit einem Wink zu verstehen, dass die Audienz beendet war.
    Tolik bekam gar nicht mit, wie ihn seine Beine aus der Räuberhöhle trugen. Er hörte Krabbe nicht zu, der rumjammerte, dass er sich niemals auf diese Sache hätte einlassen dürfen . A uch das Gewusel auf dem Bahnsteig ging an Tolik vorbei. Er wollte in diesem Augenblick nur eins: aufs Gleis hinunter und ab in den Tunnel. Wieder Auge in Auge mit der Metro sein.
    Zur Hölle mit Kreuz, Moskwin, Nikita, Korbut

Weitere Kostenlose Bücher