Im Visier des Todes
kratzt. Den Fokus der Kamera spüren, die Klick um Klick den Po umspielt und die Beine entlangfährt. Die Anweisungen befolgen, mal das Becken heben, mal die Schenkel ein kleines bisschen öffnen, um die Spitze des Designerhöschens aufblitzen zu lassen. Fühlen, wie die Rosenblätter auf der warmen Haut welken.
Sie hielt den Atem an. Hat es dir gefallen, kleine Schwester, dich vor mehreren Augenpaaren so zu rekeln?
Die Vorstellung erfüllte sie mit einem unruhigen Kribbeln – Gänsehaut wie ein Flüstern – , sogar tief in ihr drin. Daran zu denken, sich in heißen Dessous auf diesem Tisch zu biegen, war … wie ein Aufwachen aus einem viel zu langen Schlaf.
Der Mann in der Lederjacke deutete zur Szenerie im Strahlerlicht, und Leahs Verstand erfasste sein Profil, die kräftige Statur und das dichte kastanienbraune Haar, das ihm in den Nacken fiel. » Musst du haben « oder » Um Gottes willen! « ?
» Oh mein Gott! « Da stand er, der Mann ihrer Ohnmachtsträume.
Er trug eine legere Jeans und ein Oberteil mit einem vielleicht einen Tick zu gewagten V-Ausschnitt, der von einem schmalen Strickschal verdeckt wurde. Die schwarze Lederjacke verlieh ihm das Flair eines Typen, der auf seinem Bike durch die Freiheit raste und keine Grenzen kannte. Der eine selbstbewusste, moderne Frau im kleinen Schwarzen und Ballerinas dazu verleitete, sich an seinen breiten Rücken zu lehnen und dem Wind zu erlauben, in wilder Fahrt das Leben durcheinanderzuwirbeln.
Er war immer noch in das Gespräch mit seinem Gegenüber vertieft, er sah sie nicht, wusste vielleicht schon längst nicht mehr, dass sie existierte. Aber es kam ihr vor, als gäbe es zwischen ihm und ihr keine Luft mehr.
Eine sanfte Berührung an ihrer Schulter ließ sie zusammenfahren.
»Ach, ich vergesse immer wieder, wie spannend so ein Set für Außenstehende sein kann – wenn man etwas zu oft beobachtet, geht einem das Gefühl fürs Besondere vollkommen ab.«
»Ja. Verzeihung. Normalerweise bin ich nicht so … « Wie in seiner Nähe? Bereit zu vergessen, dass er etwas wusste und es vor ihr verheimlichte? Sie räusperte sich vor Verlegenheit, und ihre Stimme bebte nur noch ein kleines bisschen, als sie endlich fragte: »Der Mann da hinten – gehört er auch zum Studio?«
Elinor seufzte. »Wir haben eine neue Assistentenstelle ausgeschrieben, und heute ist der Probetag eines der Bewerber – Sie glauben ja nicht, wie schwer es ist, einen guten Kandidaten für diesen Job zu finden. Manchmal wünschte ich mir, Nick wäre … nicht gegangen worden. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ihm wurde gekündigt?«
»Andererseits glaube ich, er hat diese Laufbahn nur beschritten, um hoffnungsvolle Models um den Finger zu wickeln, ließ keine Modelparty aus, egal wie fragwürdig die war, und die zwielichtigen Typen, mit denen er dort herumhing – herrje, und dann dieser Abgang!«
»Aber er war ein Fotograf, richtig?«
»Könnte man so sagen, ja.«
»Warum musste er gehen?«
Die Augen der Managerin wurden schmal. »Das war eine Sache allein zwischen ihm und dem Chef.«
»Wann ist das passiert?«
»Sie stellen viele Fragen.«
Leah verstummte. Nick – das war zumindest schon einmal ein Name. Für ihren ersten Tag hatte sie doch erstaunlich viel herausgefunden. Es gab einen Chef, der seltsame Titel für seine Motive aussuchte und angeblich den Schmerz fotografierte. Einen Assistenten, der verdächtige Kontakte pflegte. Und schließlich … sie betrachtete ihren Fremden in der Lederjacke … einen Bewerber auf die frei gewordene Stelle, der mehr wusste, als er zugab.
»Dann hoffe ich«, flüsterte sie, »dass Sie mit dem neuen Assistenten Glück haben werden.«
»Verstehe, somit drücken Sie ihm die Daumen?«
Sie hatte tatsächlich ihre Hände zu Fäusten geballt, senkte rasch die Arme und zuckte möglichst beiläufig die Schultern. »Seiner Jacke nach zu urteilen, kann er den Job gut gebrauchen.«
»Oh – Sie sprechen von Kay Gordon.«
»Ist er gut?«
Einen Moment lang starrte Elinor sie an. Dann lachte sie los, und die Heiterkeit quoll aus ihr heraus wie Wassertropfen aus heißem Fett. »Schätzchen, er ist nicht gut, er ist fantastisch, meine Güte, ihm gehört doch der Laden hier!«
Für einen Moment setzte ihr Herz aus. Mit einem Mal kam ihr das Studio so still vor und sie sich selbst – so nackt, all den Blicken ausgeliefert. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, haltlos, rauschend. Sie stieß sich vom Türrahmen ab, stolperte über eine
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