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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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im Studio, das Mädchen wird gerade gestylt, daher kann ich Ihnen den Visagistenraum leider nicht zeigen. Ach, wie unaufmerksam von mir, geben Sie mir doch Ihre Sachen her, Sie können alles erst einmal hierlassen.« Eifrig nahm Elinor Leah die Plastiktüte ab und half ihr, sich aus dem Trenchcoat zu schälen. Auf dem Kleiderbügel strich die Managerin das Kleidungsstück glatt und fuhr dabei mit der Hand über einen Fleck an der rechten Tasche. Leah unterdrückte ein Stöhnen. Die Mutter hatte ihr am Morgen ein Butterbrot zugesteckt, das sie ganz vergessen hatte und das sich jetzt anscheinend für die Geringschätzung rächte, indem es durchfettete.
    »Nun kommen Sie mit, kommen Sie! Ich zeige Ihnen den Rest.« Elinor stand bereits im Flur, ihr Blick huschte immer wieder zu Leahs kleinem Schwarzen. Overdressed , übersetzte Leah die skeptisch gerunzelte Stirn und beeilte sich, die Managerin einzuholen. Also wieder danebengegriffen.
    »Vorsicht!« Mit einem Ruck wurde sie zur Seite gezogen, als ein junger Mann eine Kleiderstange an ihr vorbeirollte. Sie taumelte gegen die Wand und suchte nach Halt – aber es gab nur Fotos – und stammelte dem Mann eine Entschuldigung hinterher. Doch der Wink seines Hinterns unterrichtete sie darüber, wie beschäftigt er war. Die nächste Entschuldigung murmelte sie zu Elinor und richtete den Rahmen gerade. Das Foto zeigte eine alte Kommodenschublade mit abgescheuerter grüner Farbe, unter der die natürliche Holzmaserung durchschimmerte. Ein matter Messinggriff ließ die vielen Finger erahnen, die ihn bereits berührt haben mussten. Sogar die Sonne vermochte ihm bloß einen müden Glanz zu entlocken.
    Auf dem Glas des Bilderrahmens prangte der Abdruck ihrer Hand.
    Wunderbar. Und das verfluchte Kleid verfügte nur über Dreiviertelärmel, mit denen sie ihn zu ihrer Schmach kaum abwischen konnte. So viel zum Thema » Outfit für alle Gelegenheiten « .
    »Oh ja, eine sehr schöne Aufnahme«, stimmte Elinor ein mit dem Blick zum Foto, »ich glaube, es ist zurzeit das Lieblingsbild des Chefs, es hängt hier schon seit einer Weile, genau genommen seit vier Monaten, und das ganz zu Recht – finden Sie nicht auch?«
    Das Lieblingsfoto des Chefs auch noch. Ähm … wunderbar? Nein. Das Fettnäpfchen fiel bereits in die Kategorie » Na großartig! « .
    »Der Chef wechselt die Bilder fast täglich, nur dieses eben nicht. Jedes Mal, wenn ich zur Arbeit fahre, rätsele ich, was mich erwarten wird. In einem Studio wie diesem ist es manchmal hektisch, aber ich nehme mir die Zeit, ab und zu vor einem der Fotos anzuhalten und richtig durchzuatmen.« Wie zur Bekräftigung atmete Elinor tief ein. »Er fotografiert den Schmerz. Sehen Sie es auch? Die Pein , so heißt dieses Bild.«
    Die Pein . Ihr Handabdruck auf dem Bild schimmerte wie ein Mahnmal, wie Célines Grabstein auf der aufgewühlten Erde, wie das blutrote Rinnsal auf dem kahl rasierten Kopf. Konnte der Chef der geheimnisvolle Freund sein? Jemand, der keine Abweisungen duldete. Der Célines Schmerz fotografieren wollte.
    »Elinor, meinen Sie … ich werde heute eine Gelegenheit bekommen, Ihren Boss persönlich kennenzulernen?«
    »Er ist ziemlich beschäftigt, meine Liebe.« Ein weiteres Einatmen, ein neues Lächeln. »Ach, da ist schon der Shootingraum, lassen Sie uns doch einen Blick hineinwerfen, solange er noch nicht belegt ist, was sagen Sie? Na los, nicht so schüchtern, kommen Sie mit!«
    Leah seufzte und trottete hinterher. Nur Geduld. Dass sie nicht alles an einem Tag erfahren würde, war ihr klar.
    Der Saal zeichnete sich durch seine triste Geräumigkeit aus. Ein Assistent installierte die Technik, steckte emsig die Kabelanschlüsse in den Laptop auf dem Tisch und die Stecker in die Steckdosen. Eine Frau kümmerte sich um den Hintergrund, vor dem das Shooting anscheinend stattfinden sollte. Ein niedriger Tisch wurde aufgestellt und darauf ein cremefarbenes Stück Tüll drapiert. Ein paar Rosenblätter rieselten herab. Etwas weiter unterhielten sich zwei Männer. Der eine in Oberhemd und Bügelfaltenhose, der andere in einer schwarzen Lederjacke, die seine breiten Schultern umspannte.
    Wer von all diesen Leuten gehörte wohl tatsächlich zur Belegschaft des Studios? Wer von ihnen wusste von dem seltsamen Projekt?
    Die Studiostrahler gingen an und tauchten die Szenerie in weiches Licht. Ein zerbrechlicher Augenblick der Vollkommenheit.
    Céline. Den Tüll auf der blanken Haut fühlen, der bei jeder Regung des Körpers leicht

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