Im Visier des Todes
Metallstange, die gegen ihre Waden schlug, und fiel rücklings durch wirbelnde Stoffe. Der Boden kam viel zu schnell und viel zu hart.
»Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was diese Outfits kosten?«, brauste der Typ auf, der sich mit seinem ganzen Wesen an die Kleiderstange zu klammern schien, bereit, die daran hängenden Dessous mit dem eigenen Leib zu verteidigen.
»Nein«, hauchte sie kleinlaut. Eigentlich wusste sie nicht einmal, wie viel die Klamotten im nächsten Discounter kosteten, aber allem Anschein nach war der Kerl nicht für Gleichberechtigung aufgelegt. Er bekam ein so rotes Gesicht, dass sie sich fragte, ob sein Herzinfarkt sie beide von seinem Groll erlösen würde.
Neben ihm erklang eine leise Stimme. Nur ein Wort, und der Typ duckte sich aus ihrem Sichtfeld.
Sie atmete auf, doch zu früh.
An seiner Stelle erschien Kay Gordon.
Panik schnürte ihr die Kehle zu. Sie sahen einander an. Er mit schräg gelegtem Kopf und einem Lächeln, das nur um seine Mundwinkel spielte. Sie mit gespreizten Beinen über dieser Metallstange des Kleiderständers.
Die Begegnungen mit ihm wurden immer mehr von ihrer horizontalen Lage dominiert, wie es ihr schien.
Sein Blick verweilte auf ihren Ballerinas, und ihr fiel auf, dass die Schleifen über und über mit bunten Glitzersteinchen bedeckt waren, während in der Mitte ein Krönchen prangte. Sie stellte die Füße von der Metallstange auf den Boden. Vielleicht bemerkte er das ganze Bling-Bling nicht. Oder sie könnten auch als – hoffentlich noch immer populäre – Swarovski-Kristalle durchgehen. Oder als sonst welcher Ausdruck ihrer Persönlichkeit.
Sein Schatten glitt über ihren Körper wie eine Berührung. Sanft und dennoch kräftig umschlossen seine Hände ihre Taille. Mit einem Schwung stellte er sie auf die Beine. Sie fühlte seinen Körper, dicht an dem ihren, seinen Herzschlag, den Atem, der ihr Ohr streifte: »Ich nehme an, im richtigen Licht ist es fast Glööckler-pompöös.«
Beängstigend, dieses Gefühl in seinen Armen, die Schwerelosigkeit, die Verwirrung, die seine Nähe in ihr auslöste. »Ich … «
Unvermittelt ließ er von ihr ab. Mit schwachen Knien und pochendem Herzen blieb sie zurück, ohne ganz zu begreifen, was mit ihr geschah.
»Elinor, wärst du so lieb, der Dame etwas zu trinken zu bringen? Nur keinen Früchtetee, damit wirst du bei ihr nicht punkten.« Den Typen, der bei der Kleiderstange herumlümmelte, winkte er im Vorbeigehen zu sich. »Auf ein Wort.«
»Die ist mir doch selbst vor die Füße gerannt!« Der junge Mann sank auf die Knie und hob eines der abgerissenen Dessous vom Boden auf. Seine Finger glitten über die feine Spitze eines Höschens.
» Die heißt Leah Winter. Und unter diesem Dach ist kein Kleidungsstück wichtiger als gebrochene Beine.«
Leah löste sich aus der Starre. Der arme Mann tat ihr leid. Immerhin war sie es, die das ganze Durcheinander verursacht hatte. Sie hockte sich neben den Unglückseligen und hob das zum Höschen passende Oberteil auf, ein luftiges Nichts mit Spaghettiträgern. »Aber einige Worte fallen unter diesem Dach anscheinend umso harscher aus, ohne Rücksicht auf gebrochene Herzen?«
Der Typ mit den Dessous schnaufte und lief rot an.
Kay Gordon blieb stehen. Langsam drehte er sich um. Kurz musterte er das Oberteil, das sie vor sich hielt, bis seine Aufmerksamkeit ihren Kurven galt. Eine Augenbraue zuckte hoch. »Wenn ich mir Sorgen um gebrochene Herzen machen würde, dürfte ich Sie gar nicht erst einstellen.«
Sein Blick fiel auf den Typen. »Mitkommen!«
Dieser raffte das Höschen und das Oberteil zusammen und sprang auf. Die beiden gingen fort.
»Immerhin«, sagte jemand. »Er kennt ihren Namen.«
Mit einem Mal taten alle furchtbar beschäftigt, der Flur leerte sich, als wäre der Vorfall schon vergessen oder hätte sich nie ereignet. Unsicher blickte Leah umher, vom Drang ergriffen, auch etwas Sinnvolles zu tun. Beispielsweise » Glööckler « zu googeln, statt dumm in der Gegend zu hocken. Schreckte jedoch vor Elinors Wachhund-scharfem Blick zurück. Ein Dobermann, mindestens. Gekreuzt mit einem Zerberus.
»Die von Ihnen erwähnte Schwester – das war Céline Winter?«
So viel zum Thema » Undercover « . »Ja, das war sie. Kannten Sie sie?«
»Mehr oder weniger.«
»Hatte Ihr Chef sie als Model für ein Projekt engagiert? Stimmt das?«
»Nick hat sie protegiert.«
»Nick? Der entlassene Assistent? Er hatte Interesse an ihr?«
»Er hatte Interesse an allen
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