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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Sinkflug auf das große I zu stürzen schien.
    Prima. Und niemand weiß, wo du bist.
    Die nächtlichen Minusgrade kündigten bereits seit Wochen den Ausklang des Herbstes an, und sie fror in ihrem Trenchcoat erbärmlich. In ihrem Schlafzimmer, bei zwanzig Grad plus, war ihr die Idee, den Kuschelpullover und die Jeans gegen das kleine Schwarze einzutauschen, noch sehr vernünftig erschienen. Jetzt fegte der Wind unter das kurze Kleid, das laut Céline zu jeder Gelegenheit passen sollte und in dem sie alles, absolut alles, machen könnte. Außer frei atmen, wie sie leider feststellen musste.
    Sie stieg die Treppe hinunter. Die nackten Ziegelsteinmauern umgaben sie wie Brunnenwände. Wenn sie den Kopf in den Nacken legte, sah sie den grauen Himmel, aus dem es auf ihr Gesicht nieselte. Aus ihrer Plastiktüte holte sie die Ballerinas hervor, die sie passend zum Kleid eingepackt hatte, und verstaute dann die Turnschuhe und die Wollsocken, die sie unterwegs getragen hatte. Mit klammen Fingern drückte sie auf den Klingelknopf und lauschte, hörte jedoch nur eine Bahn, die irgendwo in der Nähe über die Schienen ratterte. Vor Kälte tänzelte sie auf der Stelle, als die Metalltür sich mit einem Ruck öffnete. Sofort schoss ihr das Bild durch den Kopf, das ihr Gegenüber vor sich sehen müsste: eine junge Frau, die dringend ein Klo brauchte. Oder nostalgisch Satellite performte.
    »Ach, Sie sind bestimmt Le…«
    »Leah Winter. Wir haben telefoniert, wenn ich mich nicht irre«, brachte sie mit klappernden Zähnen hervor. Allein die frohe Erscheinung auf der Schwelle des Studios hinderte sie daran, für den Posten eines Eiszapfens zu kandidieren. Elinor Martin, die Managerin von Dream Impressions, war wie ein frisch aus der Pfanne gezogenes Quarkbällchen. Sogar ihre Haut besaß diese typische goldbraune Farbe des Gebäcks, und die platinfarbenen Haare, glatt an den Kopf gegelt, setzten dem Bild ein Zuckerguss-Krönchen auf.
    »Mein Gott, Kindchen, Sie sind ja völlig durchgefroren! Kommen Sie schnell rein.« Sie zog Leah ins Innere des Gebäudes und kugelte flott den Korridor entlang, der trotz einer gewissen Gemütlichkeit wenig von dem unscheinbaren Flair der Fassade wettzumachen vermochte. »Nennen Sie mich ruhig Elinor, ich werde Ihnen hier erst einmal alles zeigen.« Sie sprach mit einem süßen Akzent, den Leah nicht zu identifizieren vermochte.
    Eine helle Holzdecke mit Halogenlichtern kaschierte höchstwahrscheinlich die darunter verlaufenden Kellerrohre. An den weißen Wänden hingen Fotos, die nicht von den Qualitäten eines Modefotografen kündeten, sondern ganz Alltägliches in Großaufnahme zeigten: eine vom Rost angehauchte schmiedeeiserne Türklinke; Roggenhalme, die sich zum Gewitterhimmel reckten; einen Teil eines verblichenen Globusses, von dem sich die Weltozeane und Kontinente lösten.
    »Eigentlich suchen wir keine Reinigungskraft«, trällerte Elinor weiter, »aber das ist wirklich keine schlechte Idee, dieser Laden kann ein paar für Sauberkeit sorgende Hände gut gebrauchen, was auch unseren Praktikanten äußerst erfreuen dürfte, falls Sie verstehen, was ich meine.«
    Leah beeilte sich, das Schmunzeln zu verbergen. Ja, sie hatte nicht Célines Talent, auch nach einer schlaflosen Nacht fotogen auszusehen. Dafür war sie mit einer Überzeugungskraft gesegnet, die sie nach ihrem BWL -Studium in die Vertragsabteilung einer großen Krankenkasse gebracht hatte. Ein Hoch auf die Redekunst, denn sonst hätte sie kaum eine andere Möglichkeit gewusst, sich hier unauffällig umzusehen.
    »Links haben wir den Empfangsraum, in dem die Kunden beraten und die Einzelheiten eines bevorstehenden Shootings besprochen werden, wie es sich gehört, damit alle Seiten eine produktive und angenehme Zusammenarbeit genießen können.« Mit schwingenden Armen malte Elinor ihre Hingabe in die Luft. »Sie glauben gar nicht, wie wichtig das ist, die Details genau abzustimmen.«
    »Doch, doch. Ich denke … schon.« Die einzigen Akzente im Raum setzten zwei schwarze Ledersessel, die einander zugewandt standen, als würden sie ein Zwiegespräch führen. Das Interieur vollendeten ein gläserner Tisch, eine Minibar und schmale Regale, die an den Wänden verliefen und mehr dem Raumeindruck als dem eigentlichen Zweck dienten. »Wobei ich zugeben muss, ich habe etwas … Haute-Couture-mäßigeres erwartet.«
    »Das glauben viele, dabei finden die meisten Fotosessions eh an anderen Locations statt. Heute haben wir jedoch einen Termin

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