Im Visier des Todes
mir.«
»Glaub mir? Einfach so? Genau das kann ich nicht. Nicht nach all dem, was passiert ist!«
»Okay.« Er lehnte sich ein Stück zurück. Mit einem Mal fühlte sie sich einsam, wollte wieder seine Nähe spüren, trotz allem. »Ich habe ihn gefeuert, weil er es so wollte, und ich habe nicht gefragt, warum. Er ist ein … alter Freund. Ja, ich habe ihn angestellt, weil er mich um diesen Gefallen gebeten hat. Und wenn er mich ab und zu mal fragte, ob ich mir ein Mädchen ansehen könnte, habe ich das gemacht. Wie im Fall deiner Schwester.«
»Wie lange war er mit Céline zusammen?«
»Er war nicht mit ihr zusammen. Zumindest nicht in dem Sinne.«
»In welchem dann?«
»Ich weiß es nicht.« Sein Gesicht wirkte hart. »Er hat mich gebeten, ihm keine Fragen zu stellen. Ich habe ihm keine Fragen gestellt.«
Irgendwo draußen schlug eine Tür zu. Ihre Gedanken irrten zwischen den Pocken der Raufasertapete umher, aber alles, was sie sich zusammenreimte, ergab wenig Sinn. Vielleicht war es noch zu früh, um klar zu denken. Sie musste Geduld haben. Sich selbst etwas mehr Zeit geben, wieder zur Besinnungzu kommen.
»Ich habe deinen Arzt gesprochen. Er meinte, wenn die Laborwerte in Ordnung sind, kannst du in ein paar Tagen nach Hause.«
»Nach Hause. Ja … Meine Mutter!« Sie stemmte sich hoch. Vor ihren Augen rieselte ein Wirrwarr aus weißen Bläschen die Tapete herab. Sie blinzelte. Sie sollte sich wirklich etwas mehr Zeit geben, auch ihrem Körper. »Ist alles in Ordnung mit ihr? Sie war so verstört, als sie … « Dich gesehen hat .Rasch kämpfte sie den Gedanken nieder.»… überfallen wurde.«
»Ich habe Elinor gebeten, zu euch zu fahren und sich umzusehen.«
»Danke.«
»Ihr hat niemand geöffnet.«
»Ich muss hin. Sie kann nicht allein bleiben in ihrem Zustand. Und nach allem, was passiert ist, würde sie Fremden auch nicht öffnen.«
»Der Arzt hat › in ein paar Tagen ‹ gesagt. Nicht sofort.« Behutsam drückte Kay sie zurück in die Kissen, und sie gab nach, als sie seine Nähe fühlte. Die Sorge in seinen Augen sah, den Schmerz darüber, sie … so hilflos zu sehen.
Nein, er konnte es nicht sein, unmöglich.
»Ich werde Elinor bitten, noch einmal nachzusehen, okay? Vielleicht gelingt es ihr, einen Nachbarn zu bitten vorbeizuschauen.«
Sie schloss die Augen. Es war so verwirrend … ihn zu mögen. Und trotzdem irgendwo tief im Herzen diese Zweifel zu haben. Warum konnte es nicht einfach sein? Sie mit einem netten Mann, unbeschwerte Dates, ab und zu Sex – hatte sie je mehr gewollt? Vielleicht nicht. Aber jetzt war alles anders, sie war anders. Sie wollte Kay. »Als ich gesagt habe, ich könnte dir nicht glauben, habe ich … «
»Du brauchst mir nichts zu erklären. Versprich mir nur, keine Dummheiten mehr zu machen.«
»Ja.«
»Das bedeutet: keine Detektivambitionen mehr. Klar? Überlass das der Polizei!«
»Kay, ich … «
Seine Finger strichen ihr durch das Haar. »Ich will dich aufwachen sehen. Jeden Tag. Und das nicht in einem Krankenhaus.«
Die Wärme in seiner Stimme – das war etwas, was sie in ihrem Herzen einschließen konnte. Und plötzlich gab es keinen Platz mehr für Zweifel. Ihn zu mögen … konnte manchmal auch sehr einfach sein.
Poul hatte sie nicht besucht, vielleicht war er auch gegangen, als er seine Rosen auf dem Tresen der Eingangshalle entdeckte. Der Polizei, die ihre Aussage aufnehmen wollte, konnte Leah nicht viel berichten – die Erinnerungen an die Entführung waren da und zugleich vollkommen unwirklich. Ein böser Traum, eine Flucht. Ihre Angst. Immer wieder diese Angst.
Manchmal erklang der fremde Atem nachts in ihren Ohren und jagte sie durch den Wald. Der Mörder sah zu, wie sie ihm zu entkommen glaubte. Wenn sie schrie und um sich schlug …
… weckte Kay sie auf.
Am Tag ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus holte er sie mit seinem Wagen ab. Den alten Mustang erkannte sie schon von Weitem. Die Umrisse wirkten kantig und eigenwillig, fast wie sein Besitzer. Der Innenraum war gepflegt und roch nach Route 66. Oder zumindest so, wie Leah es sich vorstellte, in einem klapprigen Auto durch die Weiten der USA zu rasen.
Die Fahrt vom Krankenhaus nach Hause war allerdings alles andere als die Route 66 – die Freiheit endete viel zu schnell. Kay parkte und öffnete ihr die Beifahrertür; sie selbst wagte es nicht, die polierte, museumsreife Klinke zu berühren.
Am Gartentor blieben sie stehen. Sahen einander an.
»Danke.« Wie von selbst fuhren ihre
Weitere Kostenlose Bücher