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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Windspiel. Doch die Gedanken entglitten ihr.
    Sie hörte den Atem.
    Nah, näher. Und doch so fern.
    Die Tür stand offen. Von draußen wehte die Kälte in das verlassene Gemäuer.
    Sie lief, stolperte, ihre Knie schlugen auf das Kopfsteinpflaster, doch sie rappelte sich hoch und lief weiter. Alles floss an ihr vorbei: Die Bäume, in der Morgendämmerung wie in Nebel gehüllt, der Boden, der Himmel, der irgendwo jenseits der nackten Äste auf sie herabsah. Wenn sie fiel und nicht aufstehen konnte, holte der fremde Atem sie ein und trieb sie weiter. Mal sah sie eine verschwommene Silhouette, mal waren es durch das Laub raschelnde Schritte, die sie mit ihren schwindenden Sinnen zu erfassen glaubte, wenn sie sich umdrehte und nach ihrem Verfolger Ausschau hielt. Wie ein Tier trieb er sie an, spielte mit ihr.
    Nein.
    Nicht. Mit mir.
    Sie lief schneller. Alles drehte sich in einem schwindelerregenden Kreis. Baumstämme, Wurzeln, Äste. Sie fiel wieder, rollte einen Hang hinab, blieb liegen. Ihr Kopf schien zu bersten. Sie versuchte, auf alle viere zu kommen, und schaffte es nicht. Ihre Kräfte schwanden. Wie die Wirklichkeit. War es überhaupt die Wirklichkeit? Oder bloß ein Traum, ein böses Verwirrspiel ihres unter Drogen gesetzten Verstandes?
    Sie würde nicht entkommen. Wozu noch kämpfen? Nur liegen bleiben und warten.
    Nein! Nicht daran denken. Mit einer Hand ertastete sie einen Stein und schloss ihn in der Faust, wartete auf ihren Verfolger. Sie würde sich ihm nicht widerstandslos ergeben.
    In der Ferne, am Rande ihrer Wahrnehmung, rauschte etwas. Sie konzentrierte sich darauf. Ein Fluss? Wasser … trinken …
    Sie rappelte sich hoch, stand schwankend da und lauschte, bis sie genug Kräfte gesammelt hatte, um in die Richtung zu stolpern. Das Rauschen schwoll an, wurde beinahe greifbar, war kein Rauschen mehr, sondern ein unerträglicher Lärm.
    Die Bäume endeten. Sie lief, lief, bis sie gegen eine Planke stieß. Das Licht, viele Lichter, die an ihr vorbeirasten. Der Lärm. Vor ihrem Blick wimmelte alles. Panik stieg erneut in ihr hoch. Fest kniff sie die Augen zusammen und glaubte auf den Lidern das Blitzlicht zu spüren.
    Sie sank auf die Knie, vergrub das Gesicht in ihren Händen, wiegte ihren Körper hin und her. Kauerte an der Planke, eine Ewigkeit lang. Ihr Verfolger würde sie finden, sie in den Keller zurückzerren, vorbei das Spiel, das bisschen Freiheit. So kalt. Sie spürte kaum ihre Glieder, zitterte am ganzen Körper, ohne irgendeine Kontrolle darüber zu haben.
    Das Rauschen, der Lärm, ein dumpfer Schlag einer Tür irgendwo neben ihr. Sie krümmte sich zusammen, machte sich klein. Wieder im Kofferraum, jeglicher Bewegungsfreiheit beraubt. Sie schrie.
    Jemand kam auf sie zu. Der Stein. Wo war der Stein? Hektisch tastete sie umher. Ihre Finger verhedderten sich in den Grasbüscheln. Der Stein, irgendwo musste er doch sein.
    Hände packten ihre Schultern. »Leah. Leah! Ich bin’s.«
    Sie schrie wieder. Schlug um sich.
    Schlug so lange, bis die Kräfte sie endgültig verließen.

17
    Leah wusste nicht, wie oft sie einschlief und wieder aufwachte. Mal tauchte sie an der Oberfläche auf, mal ging sie unter, strampelte und rang nach Luft, wenn sie den fremden Atem an ihrem Ohr hörte oder das aufflackernde Licht auf den Lidern zucken spürte. Irgendwann konnte sie die Augen aufmachen, ohne dass die Trägheit ihres Geistes sie zurück in den Dämmerzustand zog. Wie in einem Dunst trieb die grellweiße Umgebung vor ihrem Blick. Sie sah rot. Blutrot. Wie unzählige Tupfer eines verrückten Impressionisten. Wo war sie?
    Fieberhaft versuchte sie, nach Erinnerungen zu greifen. Katzenhaare. Nicht niesen. Auf keinen Fall niesen. Das wusste sie noch. Ihr steifer, verrenkter Körper in einem Auto, gefesselt. Alles Weitere schien in einem weit entfernten Albtraum zu versinken. Sie wimmerte, verwirrt, verängstigt, sah immer noch rot, sobald sie die Lider aufschlug.
    Leah. Leah! Ich bin’s.
    »… du bist in Sicherheit.«
    Irgendwann gelang es ihr endlich, ihren Blick zu fokussieren. Aus dem beängstigenden Blutrot schälten sich Blumen, Unmengen von Rosen mit weißem Schleierkraut. Sie standen in Vasen, wohin sich ihr Blick auch verirrte. Auf dem Nachttisch ihres Krankenhausbettes hockte ein pausbäckiges Porzellanengelchen, stützte seinen Kopf auf die pummeligen Ärmchen und lächelte sie verschmitzt an.
    Das Krankenhausbett.
    Sie schaute auf ihr Handgelenk mit dem Plastikbändchen, dann auf die abgebrochenen

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