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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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fest. Das kühle Gehäuse ihres Handys wurde an ihr Ohr gedrückt. Sie hörte ein halb ersticktes » Kay Gordon « , keuchte auf, als sie seine Stimme erkannte.
    Grob wurde ihr der Kopf nach hinten gerissen. Sie hatte die Lippen fest aufeinandergepresst, konnte jedoch ein Wimmern nicht unterdrücken.
    »Leah? Leah, wo bist du?«
    Seine Stimme … Unter ihren Lidern quollen Tränen hervor. Plötzlich wurde sie losgelassen, spürte wieder den harten Boden unter ihrer Wange. Das Telefon war nicht mehr da.
    Kurz darauf ertönte eine mechanische Stimme: »Sag ihm, wie sehr du ihn liebst.«
    Nein! Aus ihr sollte er keinen Ton herausbekommen. Sie würde Kay nicht in eine Falle locken.
    Still lag sie da, lauschte den verzerrten Befehlen: »Sag ihm … «
    Sie schluchzte. Egal, was er dir sagt, bleib ihm fern, Kay! Bitte, bleib ihm fern! Am liebsten hätte sie es herausgeschrien. Aber Kay durfte sie nicht hören.
    Ihr Peiniger trat wieder zu ihr. Sie spürte seine Finger an ihrem Oberarm, den Stich einer Nadel. Nein. Nicht schon wieder …
    Er wartete bei ihr, blies ihr seinen Atem in den Nacken.
    Ihre Lider fühlten sich schwer an, zu anstrengend, die Augen offen zu halten, und nichts zu sehen außer der Nacht; sie lag mit geschlossenen Augen da, wie unter Tonnen von Wasser, die auf ihre Brust, ihren Kopf, ihren Verstand drückten. Sie machte den Mund auf, diesen ausgedörrten Schlund. Wasser … Es war da, um sie zu ersticken, in ihrem zersetzten Verstand. Sie würde keinen Tropfen auf die träge Zunge bekommen, die ihren Mund wie ein fleischiger Lappen auszustopfen schien.
    Nur langsam floss die bleierne Schwere von ihren Gliedern ab, sie regte die Finger, mehr brachte sie nicht zustande und blieb still liegen, mit offenem Mund die staubige Luft schluckend, während die Dunkelheit mal anschwoll, mal abebbte, aber nie ganz von ihr abließ.
    Ihre Hände waren nicht gefesselt. Ihre Nägel kratzten über den Beton – Aufstehen. Steh auf! –, sie wälzte sich auf die Seite; für einen Augenblick schien der Boden seine Konsistenz zu verlieren, waberte unter ihren Bemühungen, auf alle viere hochzukommen.
    Sie tastete umher, kroch, Zentimeter um Z e ntimeter, doch es gab nichts als die Dunkelheit und diesen rauen, staubigen Boden unter ihren Handflächen.
    Die Wand kam unvermittelt. Sie fuhr mit den Fingern über deren Oberfläche. Nach oben, unten, zu den Seiten, schlug mit den Fäusten dagegen, als könnte sie in die Freiheit durchbrechen, wenn sie bloß noch ein bisschen mehr Kraft hätte; schließlich sackte sie zusammen und schluchzte. Kay … Sie verbat sich zu heulen und tat es trotzdem. Nasses Gesicht, nasse Hände, mit denen sie immer wieder ihre Tränen verschmierte, das salzige Brennen unter den Fingernägeln, die sie bis zum Fleisch abgebrochen haben musste.
    Auf den Knien schob sie sich weiter, immer eine Hand an der Wand, um nicht auch noch diesen Halt in der Finsternis zu verlieren, bis die Wand einen Knick machte. Sie ertastete eine Stufe, rutschte ab. Die Kanten bohrten sich in ihren Bauch und ihre Rippen, ihr Atem ging stoßweise. Sie zog sich hoch, griff nach weiteren Stufen, noch eine und noch eine, heraus aus der Dunkelheit, noch eine und – eine Tür. Ein unüberwindbares Hindernis. Sie zog sich hoch, rüttelte an der Klinke, stieß mit ihrer ganzen Kraft dagegen und fiel nach draußen, in einen Flur, vielleicht auch nur einen Durchgang. Irgendwo glaubte sie, fremden Atem zu hören, tiefe, regelmäßige Züge wie das Auf und Ab der See, die sie mit jedem Stoß vorantrieben.
    Hinter mir und vor mir … Der alte Kinderreim hämmerte in ihren Schläfen, wie die Atemgeräusche drängte er sich in ihren Geist, was hinter ihr und vor ihr war, das wusste sie nicht mehr.
    Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein … Sie rappelte sich hoch, befahl sich zu stehen, obwohl ihre Beine wie im Watt versanken und die Übelkeit ihr in die Kehle stieg. Sie durfte nicht aufgeben, sie musste entkommen, solange ihr Peiniger anscheinend dachte, sie stünde noch unter Drogeneinfluss, solange er sie noch nicht überwältigt und wieder gefesselt hatte.
    Eckstein, Eckstein … Helle Stimmen, spielende Kinder, Céline und … und jemand anders …
    Sie schlurfte voran, das morsche Parkett, die zerbrochenen Fenster, die Treppe, die wie in einer Soap-Kulisse eines Herrenhauses nach oben führte – sie müsste ihn kennen, diesen Ort, der aus Scherben der Vergangenheit in ihrem Verstand klirrte. Eine zarte, wirre Melodie. Ein

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