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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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ehrwürdigen Gepäckstücke einen längeren Stammbaum vorzuweisen hatten als sie; die prachtvollen Kronleuchter, die Wände, mit kunstvollen Gobelins behängt, die Parkettböden … Allein der Nieselregen draußen schenkte etwas Vertrautheit – ihre Mutter behielt also doch recht: Heute sollte es regnen.
    Kay begleitete sie zum Zimmer, fragte, ob eine Stunde ihr reichen würde, um sich vom Flug zu erholen. Sie nickte aus ihrem Stand-by-Modus. Dann ließ er sie allein.
    Leah ging ins Bad, in dem ihr ganzes Schlafzimmer Platz gefunden hätte und wo der polierte Marmor und die Armaturen so glänzten, dass sie die Spiegelwand hinter den Waschbecken gar nicht benötigt hätte. Mamma mia! Ihren Mund bekam sie erst beim Duschen wieder zu, und das nur, um kein Wasser zu schlucken.
    Auf dem Bett des Schlafzimmers lag ein langes Kleid ausgebreitet, auf dem Teppich stand ein Paar Schuhe – zum Glück mit annehmbaren Absätzen, auf denen sie zumindest keinen Pisaturm mimen müsste. Und neben der Frisierkommode wartete ein regelrechter Schminkkoffer auf sie mit unzähligen Tuben, Fläschchen und anderen Gegenständen, für deren Gebrauch man vermutlich einen eigenen Hochschulabschluss brauchte.
    Leah schaute auf die Uhr. Die Stunde neigte sich dem Ende zu und trieb sie zur Eile an. Sie schlüpfte in das Kleid, steckte die Füße in die Schuhe und zwang sich vor den Spiegel. Der schwere cremefarbene Rüschenrock reichte ihr bis zu den Knöcheln. Sie machte ein paar Schritte und musste jedes Mal das Bein anstrengen, um vorwärtszukommen. Was ihrem Gang, zugegebenermaßen mehr Entschiedenheit und Selbstbewusstsein verlieh. Die A-Form des Schnitts betonte ihre Kurven; sie kam nicht umhin, mit den Handflächen über das Material zu streichen und ihre eigene Figur darin zu erfühlen. Chic. Cosmopolitan wäre stolz auf sie.
    Leah setzte sich vor den Spiegel. Irgendwann hatte Céline ihr das Schminken von Smokey Eyes beigebracht. Unter der Regie ihrer Schwester war die Angelegenheit keine große Sache gewesen. Doch als sie nun einen letzten Blick auf ihr Spiegelbild warf, drängte sich nur ein Gedanke auf: Wer hat das Kriegsbeil ausgegraben?
    Es klopfte. Leah stöhnte ein » Herein « hervor und suchte nach etwas, womit sie das Desaster von den Augen wischen könnte, als Kay ins Zimmer trat. Sie richtete eine geöffnete Tube auf ihn. »Ich weiß zwar nicht, was hier drin ist, aber ich werde es beim ersten falschen Kommentar gegen dich einsetzen!«
    »Oh, oh. Sollte ich vielleicht vorsichtshalber Polizia! rufen?«
    »Vermutlich. Denn ich habe das Gefühl, dass die Anklage nicht › verboten gut aussehen ‹ lauten würde. Sondern eher: › Wer hat den Sprengsatz im Schminkkoffer versteckt? ‹ «
    Er schmunzelte, setzte sich auf den Boden und klopfte mit einer Hand auf den freien Platz an seiner Seite. »Komm her.«
    Sie runzelte die Stirn.
    »Na komm schon. Ich beiße nicht. Versprochen.«
    Leah raffte den Rock und ließ sich neben ihm nieder.
    »Schließ die Augen.«
    Sie gehorchte.
    »Mal sehen, ob wir es ohne Stylisten hinkriegen. Ich hab sonst hauptsächlich zugeguckt.«
    Mit dem Handrücken strich er ihr über die Wangenknochen und das Kinn, drehte mit sanftem Druck ihren Kopf etwas zur Seite.
    Sie spürte, wie er sie betrachtete. Ihre Lider bebten.
    »Nicht schummeln.« Seine Fingerkuppen fuhren über ihre Stirn und die geschlossenen Augen. Sie hörte das leise Geräusch der von ihm hin und her bewegten Döschen und Tuben im Schminkkoffer, lauschte in die Stille des Hotels und stellte sich vor, wie die Bediensteten in ihren schwarzen Uniformen durch diesen Palast huschten, beinahe unsichtbar, wie nur ab und zu das Parkett unter dem leichtfüßigen Gang knarrte und wie Kay in dieser Stille neben ihr auf dem Boden saß.
    Die Kühle auf einem Wattepad senkte sich auf ihre Lider, zart, kaum wahrnehmbar wie der Duft der Reinigungsmilch, wie alles hier – weit außerhalb ihrer Sinne und doch irgendwie da. Tupfer um Tupfer befreite Kay ihr Gesicht von der Schwere des Make-ups. Sie fühlte die Luft auf ihrer Haut und atmete die Frische mit jeder Pore ein.
    Seine Finger glitten über ihre Stirn, massierten sanft ihre Schläfen. Sie seufzte auf und ließ ihre Wange in seine Hand sinken. Für einige Herzschläge verharrten sie so nebeneinander, bis er ihr Kinn umfasste und einen Hauch von Etwas auf ihre Lider setzte. Strich um Strich. Sie nahm die Wärme seiner Finger wahr, wie er mit den Kuppen über ihr Gesicht fuhr, ihren Kopf zur einen

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