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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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klopfte ihm sanft auf den Rücken, dann schaute sie auf. »Nun hilf mir doch! Wir bringen ihn ins Haus.«
    Leah verzog das Gesicht und rieb ihre schmerzende Schulter. »Mama, ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«
    »Siehst du nicht, wie schlecht es ihm geht?« Die Mutter streichelte seinen Rücken. Er verkrampfte sich, würgte und erbrach sich in den winterwelken Hortensienbusch.
    »Es wird schon wieder.«
    »Wie kannst du nur so herzlos sein!«
    »Mama … «
    Die Mutter holte ein Taschentuch. Poul schüttelte den Kopf und würgte erneut. Sie wartete, bis er sich noch einmal übergeben hatte, und drückte ihm dann das Taschentuch in die Hand. »Besser? Komm, steh auf. Du kannst auf dem Sofa schlafen.«
    Leah seufzte. Poul lallte etwas Unverständliches und rollte sich zusammen wie ein Igel im Winterschlaf. Seine Jacke bauschte sich auf und erinnerte tatsächlich an einen Haufen Blätter, in dem es sich ein kleines Tierchen gemütlich gemacht hatte. Ihre Schulter schmerzte. Obwohl Leah kaum noch zu glauben vermochte, dass Poul ihr irgendetwas antun könnte, schaute sie zur Straße. Kay war da. Ihr würde nichts passieren.
    Sie legte sich Pouls Arm um den Nacken und versuchte, ihn wenigstens auf die Stufen zu hieven, doch sein schlaffer Körper zog sie unbarmherzig zu Boden. »Na komm, du musst mir schon ein wenig helfen.«
    Sie unternahm einen neuen Versuch und richtete ihn zumindest auf, obwohl sie unter seinem Gewicht schwankte. Dann wurde es leichter, und sie bemerkte ihre Mutter, die Poul von der anderen Seite stützte. Mit vereinten Kräften schafften sie ihn ins Wohnzimmer. Er sackte auf dem Sofa in sich zusammen, murmelte etwas und kippte auf die Seite. Leah schälte ihn aus der Jacke, zog seine Füße aus den engen Bikerstiefeln. Er war noch nie ein Bike gefahren, aber inzwischen vielleicht doch? Adieu, Schwiegermutterliebling, hallo, Bad Boy.
    Bad Boy schnarchte leise. Sein rechter Mundwinkel zuckte im Schlaf, als versuchte er zu lächeln.
    Ihre Mutter kam mit einer Fleecedecke und kuschelte ihn damit ein. Eine Weile stand sie über ihn gebeugt da und schaute seinen Träumen zu.
    »Mama?«
    Sie rührte sich nicht. In ihrem Nachthemd wirkte sie wie ein Phantom, die Hände vor der Brust gefaltet.
    Leah strich ihr über die Schulter. »Mama?«
    Ihre Mutter wiegte den Kopf. Die kürzeren, feinen Haare um ihr Gesicht schwebten in der Luft wie Spinnweben. »Er ist ein guter Junge, Leah. Ein so guter Junge.«
    »Ja.« Sie tätschelte Mutters Arm.
    »Er würde sich so freuen, wenn du ein wenig netter zu ihm wärst. Er ist ein … «
    »… so guter Junge. Ich weiß. Komm, lass uns gehen.«
    Doch die Mutter blieb.
    Leah stieg die Treppe hoch und trat an die Schwelle zu ihrem Zimmer. Die ganze Zeit über hatte sie auf der Couch übernachtet, die Poul gerade belagerte. Ihr Zimmer hatte sie vor Kurzem notdürftig aufgeräumt, aber noch keinen Ersatz für die ruinierte Matratze besorgt. Sie streifte ein Laken darüber, warf ein Kissen ans Bettende und verkroch sich unter die Decke. Mit jedem Zentimeter ihres Körpers spürte sie das Polstermaterial, das sich aus den Schlitzen in der Matratze bauschte. Sie wälzte sich hin und her. Mal dämmerte sie ein, mal starrte sie die Decke an, fast ohne zu blinzeln, bis ihre Augen brannten. Sie war froh, als der Morgen endlich anbrach und sie erlöste.
    Poul lag auf der Couch, zusammengesunken, wie sie ihn gestern zurückgelassen hatte. Nur die Decke, in die ihre Mutter ihn gehüllt hatte, war ein Stück zu Boden gerutscht.
    Im ersten Stockwerk hörte sie Schritte. Leah verdrückte sich in die Küche, um Frühstück zu machen, doch es war nicht ihre Mutter, die kurze Zeit später auf sie zugeschlurft kam, sondern Poul. Irgendjemand musste ihn in der Nacht auseinandergebaut und falsch zusammengesetzt haben. Er blieb in der Mitte des Raumes stehen, als wüsste er nicht, wohin mit sich, und kratzte sich in den Haaren. Ein wenig erinnerte er sie an ein überfahrenes Eichhörnchen.
    »Morgen!« Sie wandte ihm den Rücken zu und schob die Brötchen in den Ofen. Sie waren schon etwas älter, aber mit ein paar Spritzern Wasser und Hitze vielleicht noch genießbar.
    Er murmelte etwas Unverständliches, räusperte sich und nahm einen zweiten Anlauf: »Le-ah?«
    »Du kannst dich duschen. Ein frisches Handtuch findest du im Badezimmerschrank.«
    »Leah, bitte! Ich … ich muss mit dir reden.«
    »Dann rede.«
    »Gestern … Es … es tut mir leid.« Poul kratzte sich wieder. Sein

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