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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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versanken in dem kalten Nass, die ganze Stadt schien durch den Nebel davonzutreiben, hinaus aus der Lagune, aufs offene Meer – ohne Wiederkehr.
    Sie gingen die ganze Nacht hindurch spazieren, ohne ein Wort zu sagen, bis Leah sich auf einem riesigen Platz wiederfand und wusste, dass es vorbei war. Dass ihre Welt sie viel zu schnell zurückhaben würde.
    »Piazza San Marco«, flüsterte Kay. Ihr Gesicht lag in seinen Handflächen. Der Himmel über ihnen graute.
    Er küsste sie.

19
    Den Rückflug über schlief Leah, den Zwischenstopp bekam sie nur vage mit. Genauso wie die Fahrt vom Flughafen nach Hause, als würde der Nebel von Venedig sie noch immer in seinem Bann halten. Erst der Anblick der heimischen Gartenpforte zerstörte den Zauber von Piazza San Marco, den ihre Lippen die ganze Zeit über spürten.
    »Ich hoffe sehr, deine Mutter verzeiht mir diesen Überraschungsausflug.«
    Sie drehte sich auf dem Sitz zu ihm und zog die Beine an. Es war ein wenig so, als würde sie mit Kay aus einem gemeinsamen Traum aufwachen, als würden sie einander im selben Moment ansehen. »Mom wird sich damit abfinden müssen. Ich hab’s getan, bin einfach abgehauen.«
    »Aber du bist zurückgekehrt.«
    »Ja.« Die Stille am Telefon, als sie verkündet hatte, für die Nacht wegzubleiben, war ihr bekannt vorgekommen. Jetzt wusste sie: Es war die gleiche Stille, mit der die Mutter Célines Entscheidung, auszuziehen und eine Modelkarriere zu beginnen, quittiert hatte. »Wartest du noch ein wenig?«
    Falls auf dem Fußabtreter eine Kiste mit ihren Habseligkeiten stehen sollte …
    »Natürlich.« Er stieg aus und öffnete ihr die Tür.
    Sie gingen zum Vordach und ließen sich auf den Stufen nieder. Das Holz knarzte. Hin und wieder flogen Spatzen und Meisen an ihnen vorbei zum Grundstück des Nachbarn, der seine Sträucher mit Futterbällchen behängt hatte.
    Es dämmerte so entsetzlich schnell, dachte sie. Als würde der Tag vor ihr fliehen wollen.
    Die Vogelschar stob verschreckt hoch, gefolgt von dem Gebell eines Hundes. Leah stand auf, machte ein, zwei unsichere Schritte dem Gartentor entgegen und spähte zur Straße.
    »Was hast du?«
    »Nichts.« Sie reckte den Hals, um hinter die Hecke zu linsen, und sah tatsächlich nichts. »Wirklich, es ist alles in Ordnung.«
    An der Hand zog er sie zu sich zurück. Sie lachte auf, als sie ihm auf den Schoß fiel, und stellte fest, dass auch er lächelte. »Ich bin froh, dass du ihn nicht bereust, unseren Ausflug.«
    Sie nestelte an seinem Haar. »Ich frage mich, wohin du mich nächstes Mal entführen wirst.«
    »Wie wäre es mit Paris?«
    »Venedig, Paris … du bedienst wohl alle Klischees, oder?«
    »Bin eben sehr unkreativ. Aber pst, verrate es keinem. Noch erhalte ich den Schein aufrecht, sonst kann ich meinen Fotoapparat an den Nagel hängen.«
    Wieder bellte der Hund. Leah zuckte zusammen. Schon stand sie wieder, den Blick auf die Straße gerichtet. Bäume, Schatten …
    Kay erhob sich ebenfalls. »Du hast doch was.«
    »Das sind nur meine Nerven.« Erneut lachte sie auf, bemerkte, wie nervös es klang. »Schon seltsam, kaum bin ich zurück, male ich mir sonst was aus. Warum der Hund bellt, warum das Licht am Carport der Nachbarn angeht.« Sie schluckte. »Hoffentlich ist es nicht der Obdachlose … «
    »Ein Obdachloser belästigt euch?« Mit einem Mal klang seine Stimme gepresst, alarmiert. Er tauchte eine Hand in die Manteltasche, wühlte darin. Ein paar zerknüllte Zettel fielen auf den dunklen Gehweg und blieben dort liegen wie weiße, leuchtende Insekten. »Wann ist er aufgetaucht?«
    »Am Tag der Trauerfeier, schätze ich. Warum? Was … « Was hast du? Sie stand so nah neben ihm, dass sich ihre Handrücken fast trafen, doch ihn zu berühren, traute sie sich nicht.
    Vorsichtig löste er seine Hand, die er zur Faust geballt hatte. »Mein Rollfilm ist weg«, murmelte er.
    »Was war darauf?«
    Er sah sie an, atmete tief durch. Seine Finger tasteten nach ihrer Taille. Sie lehnte sich an ihn, strich ihm über die Wangen, den Hals und die Schultern. »Was war denn drauf?«
    Er drückte seine Stirn gegen die ihre. »Vielleicht … vielleicht ist es nicht mehr wichtig. Sonst … hätte ich sicher schon viel eher gemerkt, dass er nicht mehr da ist.« Seine Nasenspitze kitzelte sie leicht. Die Lippen formten ein stummes Wort, womöglich war es ein Danke.
    Sie antwortete stumm. Ich liebe dich.
    Mit einem Scheppern flog das Gartentor auf. Leah fuhr herum.
    »Ichhabeuch s-ssehen!«
    Eine

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