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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Taxi, und einige Zeit später saßen sie im Auto, das sie durch die Straßen von Paris kutschierte. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter, ihr erschöpftes Schweigen, durch das kaum wahrnehmbar das Radio dudelte, hüllte sie beide ein.
    Das Hotel signalisierte bereits mit der Fassade ein historisches Ambiente und noblen Luxus auf jedem Quadratzentimeter. Kays Suite lag im letzten Stockwerk und erlaubte durch eine großzügige Fensterfront einen Blick auf den in der Ferne glitzernden Eiffelturm. Leah schaute dem Funkeln zu, während Kay aus der Bar eine Flasche Cognac holte und in zwei Gläser etwas von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit einschenkte. Wortlos reichte er ihr ein Glas. Sie trank alles aus. Ihre Zunge schmeckte immer noch nichts außer Alkohol, der in ihrer Kehle brannte; sie seufzte und legte den Kopf in den Nacken. Für einen Moment war ihr schwindelig, als schwebte sie durch das Zimmer. Blumenranken verwoben sich an der Stuckdecke, Stofftapeten bedeckten die Wände, das barocke Mobiliar verstärkte das Gefühl, in die Gemächer von Ludwig XVI . entschwunden zu sein. Im goldumrahmten Spiegel erspähte sie ihr angeschwollenes Gesicht, und die edle Wirkung des Zimmers verpuffte.
    Kay ließ sich auf den Bettrand niedersinken und stellte die Flasche zu seinen Füßen ab. Von dem Getränk hatte er nichts angerührt und rollte das Glas nachdenklich zwischen den Handflächen. Leah setzte sich zu ihm. Jetzt reflektierte der Spiegel ihrer beider Gestalten, die nicht in diese Einrichtung – dafür aber umso mehr zueinander – passten. Sie rutschte noch ein Stück zurück, und ihr Oberschenkel streifte den seinen, eine zaghafte Berührung durch den aufgerissenen Seidenchiffon.
    »Ich wollte dich vor ihm schützen«, sagte Kay leise, als ertränke er seine Worte im Cognac, »und war naiv genug, zu glauben, er würde hier nicht so schnell auftauchen. Nicht heute.«
    »Elinor hat ihm Geld gegeben, damit er dich in Ruhe lässt. Aber anscheinend hat sie ihm damit ganz im Gegenteil die Möglichkeit verschafft, dir nach Paris zu folgen. – Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.«
    »Ja.«
    »Die Polizei wird ihn doch nicht so schnell wieder laufen lassen, oder?«
    »Nein.« Seine Stimme klang dissonant, als gelänge es ihm nicht, die richtigen Töne zu treffen.
    Sie berührte seine Wange. »Warum verschließt du dich wieder vor mir?«
    Er wandte ihr den Kopf zu und drückte seine Lippen in ihre Handfläche. »Ich weiß nicht, ob ich mir verzeihen kann, zugelassen zu haben, dass er dir wehtut.«
    »Du konntest nicht wissen, was er vorhat.«
    »Ich wusste es! Ich wusste, dass er mir folgen würde. Dass du immer in Gefahr bist, wenn du in meiner Nähe bleibst. Ich habe nur nicht geahnt, dass er so schnell in Paris auftauchen würde.« Er küsste ihre Hand noch etwas fester, hielt inne, um sich schon wieder zurückzuziehen. In seinen Augen spiegelte sich die gleiche dunkle Ferne, die sich hinter der Fensterfront erstreckte. Bloß ohne Funkeln.
    »Wenn er es auf mich abgesehen hatte, dann war es ein Glück, dass ich dich bei mir hatte. Sonst wäre es mir vermutlich wie Céline ergangen. Oder Nathalie.«
    Er schwieg. Etwas um seine Mundwinkel verhärtete sich. Ihr Trost war zu schwach, um seine Schuld zu durchbrechen. Mit ihrem Daumen strich sie ihm über den Mund. »Wir wollten über alles reden. Weißt du noch?«
    Er rang den Cognac die Kehle nieder, sein Adamsapfel bewegte sich beinahe krampfhaft hoch und runter. Er sagte nichts.
    »Na gut.« Sie rutschte von der Bettkante zu Boden, schenkte ihm und sich selbst nach und leerte hastig ihr Glas. »Als Céline geboren wurde, hat sie lange keinen Namen gehabt. Meine Mutter nannte sie das kleine Monster.« Er zuckte zusammen. Sie schluckte, fuhr fort. »Und ich dachte, sie wäre tatsächlich ein Monster. Die blasse, fast weiße Haut, die rötlichen Augen – ich war mir sicher, sie loswerden zu müssen, also habe ich sie in unseren Wäschepuff im Keller gesteckt. Céline hat vier Stunden lang geschrien. Stiefpapa war auf einer Geschäftsreise, meine Mutter litt unter Wochenbettdepressionen und konnte oder wollte die Schreie nicht hören. Irgendwann habe auch ich angefangen zu heulen. Ich hielt es nicht mehr aus, holte sie aus der Wäsche und machte ihr ein Fläschchen, trug sie herum, wiegte sie und schwor ihr, dass ihr nie wieder etwas Schlimmes zustoßen würde. Zwanzig Jahre später, an einem Dienstag, habe ich erfahren, dass ich mein Wort nicht halten

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