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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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habe es ruiniert.«
    »Vergiss das Kleid.« Seine Finger tauchten in ihr Haar, immer wieder drückte er sie an sich, als müsste er sich vergewissern, dass sie noch bei ihm war.
    Sie versuchte erneut aufzustehen. Er half ihr auf die Beine, doch schon beim ersten Schritt durchfuhr ein Schmerz ihren Knöchel. Sie schaute an sich hinunter. »Und den Absatz habe ich auch kaputt gekriegt.«
    Er hielt sie fest. »Es wird alles gut. Alles gut. Das verspreche ich dir.«
    Die aufgeregten Stimmen brandeten über sie hinweg, die Menschen sammelten sich um sie herum, und irgendwo brüllte der Obdachlose – doch sie konnte nicht hinsehen, nicht hinhören. Unter den Straßenlaternen wirkte Kay unwirklich, als würde er sich in der Nacht auflösen, sollte sie ihn loslassen.
    »Jetzt ist alles gut. Es wird alles gut«, wiederholte er.
    Sie glaubte, genickt zu haben.
    Während ihr Blick von dem dunklen Fleck gefesselt war, der sich auf seinem Hemd ausbreitete.

30
    Krankenhäuser glichen einander überall auf der Welt, und je länger Leah im Warteraum saß, desto mehr verblasste die Umgebung in ihrer Wahrnehmung, wurde zu einem unscharfen Gebilde, durch das gespenstische Silhouetten hin und her streiften. In den Händen drehte sie den abgebrochenen Absatz. Die Schuhe lagen in ihrem Schoß, schmutzig und zerschunden. Auf der freien Sitzfläche neben ihr stand der halb volle Plastikbecher mit dem lauwarmen Kaffee aus dem Automaten im Flur. Achtundsiebzig Schritte hin, achtundsiebzig Schritte zurück. Ihre Finger zuckten krampfhaft bei jeder Bewegung – vermutlich von zu viel Koffein.
    Im Krankenwagen hatte er wiederholt, es gehe ihm gut. Dass sie sich keine Sorgen machen müsse. Er hatte sogar gelächelt. Nur schwach, aber sie hatte ihm geglaubt. Jetzt, allein auf dem harten Stuhl, sah sie nur noch sein blasses Gesicht. Die Straßenlaternen, seine Gestalt in der Pariser Nacht – und den Blutfleck an seinem Bauch.
    Mit den Fingerspitzen streichelte sie über die Schleifen der Schuhe. »Es wird alles gut. Alles gut«, versicherte sie ihnen.
    Nur unscharf tauchte in ihrer Erinnerung das Gesicht des Obdachlosen auf, und wenn sie versuchte, das Erlebte zu rekonstruieren, stieß sie nur auf Scherben, die in ihrem Verstand splitterten.
    Hab ich dich nicht gewarnt? Hab ich das? Hab ich das?
    Lass es! Schiefe Buchstaben, in die Haut ihrer Mutter geritzt.
    Seltsam, wie sich alles zusammenfügte. Céline, Nathalie – zwei junge Models, Kays Nutten , wie sein verstörter Vater sie nannte. Leah fröstelte. Er hatte die Trauerfeier beobachtet, jeden ihrer Schritte verfolgt, sie entführt – um Kay noch mehr wehzutun? Aber was war mit Nathalies Tochter? Hegte er womöglich den verrückten Wunsch, seinen verstorbenen Sohn durch ein anderes Kind zu ersetzen?
    Sie schloss die Lider. Alles würde gut werden. Sie musste daran glauben, jetzt wie noch nie. Und sah trotzdem nur noch den Blutfleck auf Kays Hemd, der sich ausbreitete wie eine tauende Blüte.
    Sie tastete nach dem Becher und nahm einen Schluck von dem Kaffee, ohne etwas zu schmecken, außer dass er endgültig kalt geworden war. Achtundsiebzig Schritte hin, achtundsiebzig Schritte zurück. Das würde sie zwingen, wenigstens etwas zu tun.Sie müsste nur die Kraft finden aufzustehen. Das heiße, aromatische Getränk lockte sie mit seinem verführerischen Duft.
    Jemand setzte sich neben sie. Jetzt roch sie tatsächlich frischen Kaffee, spähte zur Seite und sah keine gespenstische Silhouette mehr, sondern Kay, der ihr einen Becher reichte.
    Sie sprang auf. Stieß seinen Arm an, und der größte Teil der Flüssigkeit schwappte über den Rand. Ihre Schuhe purzelten von ihrem Schoß auf den Boden. »Was haben die Ärzte gesagt? Wie geht es dir?«
    Er lächelte ihr zu, stellte den Becher beiseite und trocknete seine Hand mit einem Taschentuch. »Abgesehen von den Verbrennungen zweiten Grades von eben? Nichts Schlimmes. Es war nur eine oberflächliche Wunde, sie wurde genäht, und wir können gehen.«
    »Wirklich?«
    Er trug das Jackett, das an einem Ärmel gerissen war, und das befleckte Hemd mit ein paar fehlenden Knöpfen, das lose über seine Anzughose hing. »Wirklich. Alles nur halb so dramatisch. Ist bei dir alles in Ordnung?«
    Sein Haar stand wirr ab, unter den Augen lagen dunkle Schatten, doch sein blasses Gesicht trug die Züge eines müden Friedens, der auch Leah zur Ruhe brachte. »Alles gut.«
    »Dann lass uns gehen. Vom Kaffee ist eh nicht viel übrig geblieben.«
    Er bestellte ein

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