Im Visier des Verlangens
Ihre Hände hielten ihn im Zaum. Nur ein Schuft hätte ihr die Kontrolle genommen.
In dieser Nacht war Ned entschlossen, ihr Held zu sein.
Und er hielt Wort.
20. KAPITEL
D iese Erfüllung hatte Kate einen nie gekannten inneren Frieden beschert. Nachdem sie wieder zu Atem gekommen war, Ned sich aus ihr gelöst und ihre Röcke geordnet hatte, zog er sie wieder auf seinen Schoß. Sie schmiegte ihre Wange an die seine und schwelgte im beseligten Glück, in seinen Armen zu liegen. Dieser entfesselte Liebesakt hatte einen Knoten in ihr zerrissen. Sie konnte wieder klar denken und fühlte sich stark genug, sich allen Anforderungen eines ungewissen Morgens zu stellen.
„Was sollen wir tun?“, flüsterte sie in sein Haar.
Er streichelte sie, wölbte die Hände um ihre Hüften.
„Wir geben Gareth Bescheid“, antwortete er. „Er muss vor Gericht erscheinen. Wir brauchen unseren Marquess, damit er zu unseren Gunsten aussagt.“ Er lächelte dünn. „Der Gedanke gefällt mir, meinen Cousin als Aushängeschild zu benutzen.“
Tausend Zweifel und Fragen schwirrten durch Kates Kopf. „Aber …“
„Jenny hegt bereits Argwohn gegen Harcroft, wie mir scheint. Und nachdem beide von Anfang an in die Sache hineingezogen worden sind, sollten sie die Wahrheit erfahren. Ich möchte, dass die Blakelys sie von dir hören.“
„Aber sie können mich nicht leiden“, wandte Kate zaghaft ein.
„Weil sie dich nicht kennen. Sie wissen kaum etwas über dich. Meinst du nicht, Kate, es wäre an der Zeit, auch andere ins Vertrauen zu ziehen, nicht nur mich?“
Sie hatte ihre Geheimnisse so lange im Verborgenen gehalten, dass sie zunächst nicht antwortete. Ja, sie wollte andere wissen lassen, was sie getan hatte – und gleichzeitig schreckte sie davor zurück. Es war weniger schmerzlich, als eine Person zurückgewiesen zu werden, die sie gar nicht war.
„Gareth respektiert tatkräftige Menschen, die sich durchsetzen“,fuhr Ned fort. „Er wird deine Partei ergreifen, wenn du ihm aufrichtig erzählst, was du getan hast und welche Konsequenzen dir daraus entstanden sind.“
Die Logik seiner Worte verschaffte ihr Erleichterung. Nach all den Jahren des Schweigens und der Heimlichkeiten konnte sie endlich die Wahrheit gestehen – über Louisa und über sich selbst. Vielleicht war es klug, den Schleier zu lüften und damit Verbündete zu gewinnen. Sie nickte zustimmend.
„Und außerdem“, fuhr Ned fort, „muss ich Louisa holen. Wir müssen beweisen, dass sie Harcroft freiwillig verließ. Nur sie selbst kann die Geschworenen davon überzeugen.“
Kate gefror das Blut in den Adern. „Aber Harcroft wird verlangen, dass sie zu ihm zurückkehrt.“
„Davor können wir sie vorübergehend schützen. Gareth ist ein Marquess. Er hat zwar keine Rechte über sie, wenn er jedoch in der Öffentlichkeit als ihr persönlicher Fürsprecher auftritt, wird sein Verhalten die Menschen zum Nachdenken bringen. Und je wütender Harcroft vor Gericht tobt, desto mehr wird die Gesellschaft in ihm den Schurken erkennen, der er tatsächlich ist.“
„Aber du hast doch selbst gesehen, dass Louisa innerlich völlig zerrissen ist. Was kann sie denn bewirken? Sie wird nicht fähig sein, gegen Harcroft auszusagen, wenn sie schon bei dem Gedanken einer Gegenüberstellung mit ihm zusammenbricht. Wie könnte ich von ihr verlangen, für mich auszusagen, wenn er im Gerichtssaal sitzt?“
„Sie wird ihre Aussage machen, glaub mir.“ Neds Stimme klang sehr überzeugt. „Sie hat die Kraft. Und ich werde sie zur Einsicht bringen, Harcroft eine Kostprobe seiner eigenen Medizin zu geben. Ich muss aufbrechen, um sie zu holen. Es ist bereits dunkel, und vor mir liegen zwanzig Meilen Ritt.“
„Aufbrechen?“ Kaltes Grauen stieg in Kate hoch. „Du willst sie holen und mich allein zurücklassen?“ Die Worte sprudelten ihr unüberlegt aus dem Mund. Vom Verstand her wusste sie, dass er nicht bei ihr bleiben musste. Aber ausgerechnetheute Nacht wünschte sie sich die Geborgenheit seiner Nähe, sehnte sie sich verzweifelt danach, nicht verlassen zu werden – wie schon einmal. „Ich wünschte, du würdest bleiben.“
Er lehnte sich zurück und sah sie ernst an. Seine Augen wirkten sehr dunkel und warm. „Du kannst dir doch denken, dass Louisa sich keinem Fremden anvertraut, der an ihre Tür klopft. Ich wüsste nicht einmal, wem ich diesen Auftrag geben könnte. Ich muss sie selbst holen.“
„Ich weiß.“ Kate schüttelte den Kopf. „Ich weiß. Aber
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