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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens
Autoren: Courtney Milan
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…“ Es war töricht, daran zu glauben, sich in seinen Armen geborgen zu fühlen, bei dieser drohenden Gefahr von außen. Und mit ihrer Gerichtsverhandlung am nächsten Vormittag wäre es völlig unsinnig, selbst zu reisen, so sehr sie sich das auch wünschte.
    Es war unvernünftig und töricht. Sie schwieg.
    Er schien ihre Gedanken zu lesen, hob lächelnd ihr Kinn, bis ihre Lippen seinem Mund sehr nahe waren.
    „Kate“, raunte er. „Ich verlasse dich nicht. Ich verzichte lediglich auf ein paar Stunden Schlaf in dieser Nacht. Diesmal werde ich deine Drachen töten. Du kannst auf mich zählen.“
    Behutsam hob er sie von seinen Knien, stand auf und ordnete seine Kleidung. Kate hatte das seltsame Gefühl, als zerspringe ein Eisenring, der ihr die Brust zugeschnürt hatte.
    Seit seiner Rückkehr hatte sich vieles verändert. Sie hatte geglaubt, Vertrauen sei etwas Flüchtiges, unmöglich festzuhalten. Aber was immer ihre Ehe sein mochte, mit einem welken dürren Blatt war sie jedenfalls nicht länger zu vergleichen. Etwas hatte in ihrem Herzen Wurzeln gefasst und würde nicht wieder vom Winde verweht werden.
    „Ned.“
    Er drehte sich noch einmal zu ihr um.
    „Pass auf dich auf!“
    Ein Lächeln erhellte seine Gesichtszüge, als habe sie ihm ein unerwartetes Geschenk gemacht.
    Sie schlang die Arme um sich. Ihr war, als fühle sie seineHände auf ihrer Haut, obgleich er drei Schritte von ihr entfernt stand. Lange sah er sie lächelnd an. Dieses Lächeln prägte sich in ihr Gedächtnis ein. Ein Lächeln, ebenso innig wie eine Umarmung, das ihr das Herz erwärmte, auch als er gegangen war.
    Der Ritt zur Schäferhütte, in der Louisa Zuflucht gefunden hatte, dauerte bei guten Bedingungen etwa drei Stunden. Doch in dieser Nacht, so musste Ned feststellen, herrschten keine guten Bedingungen. Es war stockfinster, die schmale Mondsichel verbreitete nur einen hoffnungslos fahlen Schein, und selbst der verkroch sich immer wieder hinter rasch dahinjagenden Wolkenfetzen. Regentropfen stachen wie winzige Nadeln in Neds Gesicht, als er aus dem Stall ritt.
    Die Hufschläge seiner Stute klangen im Prasseln des Regens gedämpft auf dem Kopfsteinpflaster. Die Lichtkegel der Gaslaternen teilten die Welt in scharf abgegrenztes Hell und Dunkel. Doch nach einer halben Stunde schwand auch diese Orientierungshilfe. Ned konnte nichts erkennen, nur den fahl beleuchteten Weg vor sich, zwei dunkle lehmige Radfurchen, die das welke Herbstgras durchzogen. Er brachte die Stute in leichten Galopp. Wind und Regen peitschten ihm kalt ins Gesicht. Es störte ihn nicht. Es gab nur ein Vorwärts, keine andere Möglichkeit als den Erfolg.
    Ned hatte das Gefühl, schon seit einer Ewigkeit durch die Dunkelheit zu reiten. Die rhythmische Bewegung des Pferdes übertrug sich auf seinen Körper, bis er eins geworden war mit den Hufschlägen im Schlamm, dem Pfeifen des Windes in seinen Ohren. Aus einer Stunde wurden zwei, bald waren es drei. Der Regen ließ nach; der Wind verstärkte sich.
    Er erreichte eine Kreuzung, wo der Weg nach Berkswift abbog und in den Wald eintauchte, nichts weiter als ein Mischwäldchen. Nun aber schlug ihm noch dunklere, feucht geschwängerte kalte Nachtluft entgegen, es roch würzig nach Erde und vermodertem Laub.
    In der Sonne war ihm das Blätterdach nie sehr dicht erschienen. Die schwarzen Blätter und Äste, die sich jetzt im Sturm wiegten, verdunkelten den Himmel jedoch noch mehr und zeichneten schwarze huschende Schatten auf den Waldweg.
    Die Stute warf den Kopf wiehernd auf, ängstigte sich vor der gespenstischen Bedrohung. Beruhigend tätschelte Ned den Pferdehals, allerdings blieb ihm nicht viel Zeit, um auf die sensible Befindlichkeit eines hochgezüchteten Reitpferdes Rücksicht zu nehmen. Er hatte die Stute wegen ihrer Schnelligkeit und Ausdauer gewählt, aber in dieser unheimlichen Schattenwelt erwies sie sich als beinahe so störrisch wie Champion.
    Nachdem er etwa eine Viertelmeile in den Wald geritten war, ertönte der lang gezogene Schrei einer Eule. Die Stute spannte alle Muskeln und Sehnen unter Neds Schenkeln an. Er beugte sich vor, um sie erneut beruhigend zu tätscheln, aber das überreizte Tier stieß ein schrilles Wiehern aus, stieg hoch, und bevor Ned sein Gleichgewicht wiederfand, ging die Stute im halsbrecherischen Galopp durch.
    Ned zerrte vergeblich an den Zügeln, die Lederriemen schnitten ihm durch die Handschuhe ins Fleisch, aber das Pferd nahm vor Entsetzen nichts wahr und galoppierte blindlings
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