Im Visier des Verlangens
ist schließlich keine … keine Spülmagd, deren Verhalten Anlass zu Tadel geben könnte.“ Er zog die Oberlippe hoch und entblößte seine makellosen Zähne. „Ich rate dir allerdings, während deiner Suche nach meiner Frau auch deine eigene im Auge zu behalten.“
„Um Kate mache ich mir keine Sorgen. Ich vertraue ihr.“
„Nun denn.“ Harcroft schlenderte zur Tür. „Jedem dasSeine. Ich denke, ich werde morgen früh abreisen. Und Sie, Lady Blakely?“
„Wenn wir rechtzeitig losfahren, erreichen wir noch vor Mitternacht Blakely Manor.“ Jenny senkte den Blick, und Ned spürte, dass sie noch etwas auf dem Herzen hatte. Sie schwieg, bis Harcrofts Schritte draußen im Flur verklungen waren.
Ned wusste, dass ihm eine Prüfung bevorstand. Harcroft konnte er an der Nase herumführen und auch Gareth etwas vormachen. Jenny hingegen war darin geschult, hellhörig winzige Kleinigkeiten zu beachten, die auf versteckte Unehrlichkeit hinwiesen. Ihr Lügen aufzutischen, war gewiss nicht leicht.
„Wir haben kaum von Kate gesprochen“, sagte sie schließlich. „Sie ist zwar nicht meine beste Freundin, aber darf ich fragen, ob zwischen euch beiden alles in Ordnung ist?“
„Im Grunde genommen ja.“
„Wenn das eine Antwort sein soll, fresse ich einen Besen.“ Herausfordernd sah sie ihn an, und Ned schmunzelte.
„Da bin ich gespannt.“
Sie lächelte dünn, ließ sich indes nicht ablenken. „Das ist eine heikle Situation. Mir liegt nur daran, zu erfahren, ob es dir gut geht, Ned. Du hast es schließlich verdient.“ Sinnend betrachtete sie ihre Fingernägel.
„Tatsächlich? Ist das alles, was du mir sagen wolltest?“
„Natürlich. Dein Wohlergehen liegt mir am Herzen, wie du weißt.“
„Früher waren deine Versuche geschickter, mir Geheimnisse zu entlocken.“
Sie hob den Blick und lächelte. „Wie ich sehe, bist du erwachsen geworden. Verrätst du mir, warum du Harcroft und Gareth loswerden willst?“
Ned überlegte kurz. „Nein.“
Sie lächelte immer noch. „Möchtest du mir deinen Verdacht anvertrauen?“ Sie schlug einen Plauderton an, als handle es sich um eine Belanglosigkeit, die mit wenigen Worten abzutun wäre. Würde er sich ihr anvertrauen, würde sie ihm helfen,ja sogar darauf bestehen, genau wie Gareth. Aber so sehr Ned die beiden schätzte, ihre Hilfe wollte er nicht in Anspruch nehmen. Er verweigerte jede Einmischung in seine Beziehung zu seiner Frau.
Immer noch hatte er das Bedürfnis, sich zu beweisen.
Im Übrigen wollte Jenny heim zu ihrem Kind.
„Verdacht?“, wiederholte Ned.
Sie legte den Kopf schräg. Ned zwang sich unter ihrem prüfenden Blick zur Ruhe, zählte seine Atemzüge und entspannte die Schultern.
„Mein Verdacht“, sagte er dann, „ist meine Sache. Sobald ich mehr weiß, lasse ich es dich wissen, verlass dich darauf.“
Und das war aufrichtig gemeint. Die spärlichen Beweise, die ihm bisher vorlagen, wollte er noch nicht preisgeben. Erst wenn er sich einen klaren Überblick über die Zusammenhänge verschafft hatte, wollte er Jenny ins Vertrauen ziehen.
„Übrigens“, erklärte sie leichthin, „äußerte Harcroft in deiner Abwesenheit die Vermutung, Kate treibe ein böses Spiel mit ihm. Ihr schlechter Einfluss könne seine Frau veranlasst haben, ihn zu verlassen.“
Jede Antwort – oder keine Antwort – würde zu viel verraten. Ned rieb sich das Kinn, als könne er Jenny damit ablenken, die ihn weiterhin prüfend musterte. Schließlich begegnete er ihrem Blick. „Weckt diese Bemerkung in dir Misstrauen gegen Kate oder gegen Harcroft?“
„Früher hast du meine Fragen nicht mit Gegenfragen beantwortet. Um ehrlich zu sein … ich weiß es nicht. Gegen keinen. Oder gegen beide. Keine Ahnung. Harcroft ist ein launenhafter Mensch und schwer zu fassen. Ich kenne mich mit ihm nicht wirklich aus.“
Harcroft als launenhaft zu bezeichnen, glich in etwa der Feststellung, ein plötzlicher Wintereinbruch im August sei eine nicht nennenswerte Lappalie.
„Er würde es zwar niemals zugeben“, fuhr Jenny fort, „aber dieses Missgeschick hat ihn völlig aus der Bahn geworfen.Wäre er eine Frau, würde ich sagen, er steht am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll, aber ich glaube, er liebt Louisa. Er brach in Tränen aus, als er uns von ihrem Verschwinden berichtete. Er weinte, Ned. Stell dir vor, dieser hochfahrende Mann brach in Tränen aus. Es gab Momente, da hätte ich ihn am liebsten geohrfeigt.
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