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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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umhüllte Eisenmanschette.
    „Vielleicht siehst du ein bedauernswertes, hilfloses Geschöpf in mir.“ Sie versuchte wieder, sich ihm zu entwinden.
    Er drehte sie sanft nach rechts. „Richte den Blick geradeaus“, befahl er. „Mir ist, als sehe ich dich zum ersten Mal.“
    Kate blickte durch den Raum zu dem großen Spiegel über dem Kamin, sah ihre beiden Gestalten im verzierten Goldrahmen. Ned strahlte eine athletische Vitalität aus neben ihrer zierlichen Gestalt. Er hielt ihre Hand; sein anderer Arm lag leicht an ihrer Schulter. Zwei harmlose Berührungspunkte. Das Spiegelbild zeigte nicht, wie sehr seine Berührung sie versengte.
    Kate erbebte innerlich. Sie spürte seine Körperwärme, den Hauch seines Atems in ihrem Nacken, vermochte den Blick nicht von seinen Augen im Spiegel zu wenden, die in verräterischer Heiterkeit funkelten.
    „Nein“, sagte er und drückte ihre Schulter leicht. „Schau nicht mich an. Schau dich an.“
    Kates hellblondes Haar wirkte beinahe silbern, ihr ovales feines Gesicht transparent. Das enge Mieder betonte ihre schmale Taille. Eingeschnürt in das Fischbeinkorsett, sah sie aus wie ein zierliches Porzellanpüppchen.
    „Ich habe dich lange nicht mehr so angeschaut“, sagte Ned leise. Sie sah im Spiegel, wie er die Hand hob, und dann strich sein schwieliger Daumen über die Kontur ihrer Wange. „Hier diese Linie: ein makelloser Schwung, stolz und beherzt. Und diese Linie …“ Sein Finger glitt ihre Kinnpartie entlang, und Kate spürte, wie sich die feinen Härchen an ihren Armen aufrichteten. „Diese Linie sagt mir, dass du eine Frau bist, die sich nichts bieten lässt. Ich glaube, das habe ich immer schon gewusst.“
    Kate schluckte und spannte die Schultern an.
    Zärtlich strich er mit der Hand darüber.
    „Und deine Schultern.“ Sein Daumen erkundete ihr Schlüsselbein. „Ich habe sie nie von Angst gebeugt oder vor Müdigkeit eingefallen gesehen. Du trägst deine Schultern gerade, auch wenn dir schwere Lasten aufgebürdet werden. Dich verlässt niemals der Mut.“
    Seine Hand wanderte ihren Rücken hinunter, seine Wärme drang durch die Stoffschichten von Kleid und Korsett. Er schlang den Arm um ihre Taille, verschränkte seine Finger mit den ihren und drehte ihre Handfläche langsam nach außen.
    „Wahrsagerinnen sollen die Gabe haben, die Zukunft aus der Hand zu lesen. Was könnte ich in deiner Hand lesen?“
    Ihre Finger wirkten unendlich zart in seiner großen kraftvollen Hand. Eine sonnengebräunte Hand, die sie an lange Schiffsreisen in sturmgepeitschter See denken ließ, an abenteuerliche Expeditionen durch Urwälder und Wüsten, den Gefahren wilder Tiere ausgesetzt, an muskelbepackte, mit Macheten bewaffnete Piraten. Ihr war, als strahle die Hitze der Sonne, die sich in seine Haut eingebrannt hatte, jetzt auch auf sie aus.
    Neben ihm …
    „Ich wirke so klein“, sagte sie. Und zerbrechlich. Ein feingliedriges Püppchen, das man in Watte packt, aus Angst, es könne zerspringen. So hatte alle Welt sie wohl bisher gesehen.
    „Ja, du bist graziös“, ergänzte er. „Graziös und unbezwinglich zugleich. Ich sehe kein Zittern deiner Hände, Kate, keine Angst, nichts Kleingeistiges.“
    „Aber ich …“
    „Und wenn ich dir in die Augen schaue“, fuhr er fort, „sehe ich die Furchtlosigkeit und Tapferkeit eines Erzengels.“
    Er umfing ihre Finger, die sich, geborgen in seiner großen Hand, krümmten. „Deine Gefühle“, sagte er, „gehören dir. Und wenn du sie in deiner Seele verschlossen hältst, kann niemand sie sehen.“
    Während er sprach, neigte er sich ihr zu, und sein Atem behauchte ihre nackte Haut im Nacken.
    „Niemand muss sie sehen. Aber ich wünschte, du würdest sie mir zeigen“, raunte er.
    Sie drehte den Kopf, um ihm in die Augen schauen zu können. Und das war ein Fehler, denn ihr Magen, der bereits flatterte, zog sich zu einem Knoten zusammen. Nur mit Mühe konnte sie den Blick von seinen Augen wenden und heftete ihn an seinen Mund, diesen schön geschwungenen, weichen und dennoch willensstarken Mund.
    Nicht, dass er die Absicht hatte, sie zu küssen, das hatte erbereits getan. Allerdings prickelten ihre Lippen im Nachklang seiner Worte, seine Nähe entflammte ihre Sinne. Und so sehr sie sich vornahm, sachlich zu bleiben, alles nüchterne Denken schwand mit seinen Worten.
    Als Kate ihre Lippen teilte, sich in seinen Armen umdrehte und auf die Zehenspitzen stellte, war ihr, als setze sie seine Worte lediglich in die Tat um.
    Sie

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