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Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater

Titel: Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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großen, runden Augen blickt sie mich über die Bettkante hinweg an.
    »Nichts«, sage ich, drehe mich auf die Seite und mache Platz, damit sie ganz zu mir hochklettern kann. Schnaufend und keuchend zieht sie sich auf das Bett.
    »Was machst du hier drin?«
    Das ist schwer zu beantworten. Ich bin selbst nicht ganz sicher.
    »Nichts«, antworte ich wieder.
    »Siehst du dir die tote Frau an?«, fragt sie bemerkenswert unschuldig und sachlich.
    »Nein. Ich liege hier nur eine Weile. Ich bin müde.«
    »Warum liegst du in Eds Bett? Warum liegst du nicht in deinem und Mamis Bett?«
    Ihre Fragen hören nicht auf. Ich wünschte, sie würde den Mund halten. Ich bin nicht in der Stimmung, darauf zu antworten.
    »Ich wollte fernsehen«, sage ich ihr, was nicht ganz aufrichtig ist. »In meinem Schlafzimmer hab ich keinen Fernseher.«
    »Warum siehst du dir nichts mit uns zusammen an?«
    »Ellis«, sage ich, unterdrücke ein Gähnen und ziehe sie enger an mich, »würdest du jetzt bitte still sein?«
    »Sei du doch still«, murmelt sie. Auch sie gähnt und kuschelt sich an mich.
    Eine Weile herrscht wieder Stille im Zimmer, und ich frage mich, ob Ellis eingeschlafen ist. Aber nicht nur in diesem Zimmer ist es ruhig – die ganze Wohnung macht einen ungewöhnlich stillen Eindruck. Wie in weiter Ferne höre ich gedämpft den Fernseher im Wohnzimmer. Sind
sie nur leise, oder stimmt etwas mit den anderen nicht? Liegt es an dem, was sie draußen gesehen haben, oder hinterlassen Isolation und Unsicherheit erste Spuren bei meiner Familie? Könnte sich einer von ihnen verwandeln, oder haben sie sich schon alle verwandelt …? Ich muss wieder daran denken, was sich draußen abspielt, und die konstante Abfolge schwarzer und unangenehmer Gedanken deprimiert mich. Es kann doch sicher nicht ewig so weitergehen? Irgendwann muss sich doch etwas tun und die Situation bereinigt werden, oder nicht? Darauf weiß ich keine Antworten und bin daher regelrecht erleichtert, als Ellis mich mit einer neuerlichen Flut von Fragen bombardiert, die leichter zu beantworten sind.
    »Gehen wir morgen wieder in die Schule?«, fragt sie naiv.
    »Ich glaube nicht«, antworte ich.
    »Übermorgen?«
    »Ich weiß es nicht. Hör mal, Ellis, wir wissen nicht, wann die Schule wieder öffnet. Hoffentlich dauert es nicht mehr so lange.«
    »Wir machen nächste Woche einen Ausflug.«
    »Ich weiß.«
    »Meine Klasse besucht einen Bauernhof.«
    »Ich weiß.«
    »Wir fahren mit dem Bus.«
    »Ich weiß.«
    »Können wir denn fahren?«
    »Ich hoffe es.«
    »Gehst du mit mir, wenn die Schule immer noch geschlossen ist?«
    »Ich geh mit dir.«
    Damit scheint sie zufrieden zu sein und verstummt
wieder. Ich lege mich zurück und schließe die Augen. Der Tag war lang und anstrengend und fordert seinen Tribut. Meine Lider sind schwer. Nach wenigen Minuten liegt Ellis reglos in meinem Arm. Sie atmet flach und regelmäßig; ich sehe sie an. Sie döst vollkommen entspannt und ist fast eingeschlafen. In einer Welt, die plötzlich vollkommen irrational, unberechenbar und verkorkst geworden ist, wirkt sie völlig unverändert. Dieses kleine Mädchen liegt mir so sehr am Herzen.
    Ich bin müde. Ich schließe die Augen.
    Fast wäre ich eingeschlafen, aber dann sehe ich plötzlich wieder das Bild des Mädchens heute Morgen im Supermarkt vor mir. Einen Augenblick stelle ich mir vor, es wäre Ellis gewesen, die die am Boden liegende Lizzie angreift. Ich habe Angst. Starr vor Schreck frage ich mich, ob das, was da draußen geschieht, irgendwann einen Weg in mein Zuhause finden wird.
    Ich versuche mir vorzustellen, wie dieses wunderhübsche Mädchen mich angreift.
    Ich versuche mir vorzustellen, wie ich sie angreife.

26
    Es ist kurz vor Mitternacht. Die Kinder schlafen. Wir sitzen schweigend und in fast völliger Dunkelheit im Wohnzimmer. Harry, Liz und ich könnten hier drinnen nicht weiter voneinander entfernt sitzen. Harry gegenüber dem Fenster, wo er zwischen den halb zugezogenen vorhängen hinausblickt. Liz starrt an der Tür ins Leere. Der Fernseher war den ganzen Abend ausgeschaltet. Niemand sagt etwas Neues, daher hat es keinen Sinn, die Nachrichten zu verfolgen. Die Informationssperre macht alles nur noch schlimmer.
    »Möchte jemand was trinken?«, frage ich. Die Stille ist unerträglich.
    »Ich nicht«, antwortet Harry. Ich sehe zu Lizzie. Sie schüttelt den Kopf und senkt den Blick. Seit Stunden hat sie kein Wort gesprochen. Wir haben ein kurzes Gespräch über die Kinder geführt,

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