Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater
Ende der Schlange umfallen sehen. Niemand wagt, ihnen zu helfen. Wir wissen alle, sobald wir eine Bewegung machen, besteht die Gefahr, dass wir von dem Abschaum, der uns in Schach hält, erschossen werden. Es stehen Hunderte Menschen in dieser Schlange, die ständig von Soldaten mit schussbereiten Gewehren abgeschritten wird. Ich muss mich sehr darauf konzentrieren, dass ich nicht aus der Reihe ausbreche und sie töte. Das ist Folter. Wollen die uns auf diese Weise alle
loswerden? Uns hier mitten in der Pampa stehen lassen, bis auch der Letzte umgefallen ist?
vor einigen Augenblicken habe ich das Rauschen von Funkstatik gehört. Rund die Hälfte der Soldaten ist daraufhin plötzlich zu ihren Fahrzeugen zurückgekehrt, die andere Hälfte hält die Stellung entlang der Schlange; sie haben die Waffen ununterbrochen auf uns gerichtet. Die Motoren der Lastwagen werden angelassen, die Fahrzeuge entfernen sich im Konvoi. Sie rasen mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei und bespritzen uns mit Schlamm und Wasser aus Schlaglöchern und Pfützen in der Straße.
Zum ersten Mal sehe ich deutlich, was auf der anderen Seite des Wegs liegt.
Durch den unablässigen dichten Regen erkenne ich eine weite, einsame Landfläche, abgesehen von einem grau-weißen Gebäude genau in der Mitte. Sieht wie eine Fabrik oder eine Art von landwirtschaftlicher Lagerhalle aus. Links befinden sich zwei enorme Silos, das gesamte Panorama wirkt seltsam baufällig und unordentlich. Ein einsamer asphaltierter Weg führt von dem Gebäude jenseits des Felds zu der Straße, wo wir stehen. Und jetzt erkenne ich auch, dass sich diese Schlange praktisch über die gesamte Länge der Straße erstreckt, bis zum Anfang des Feldes. Mein Gott, die müssen Tausende von uns hier zusammengetrieben haben.
In der Ferne herrscht rege Betriebsamkeit rund um das Gebäude. von hier aus kann man nicht erkennen, was genau dort vor sich geht. Ich sehe Soldaten und andere dunkel gekleidete Gestalten in konstanter Bewegung. Manche holen Ausrüstung aus dem Gebäude, andere tragen etwas hinein. Ich habe keine Ahnung, worum es sich handelt. Und ich fürchte, ich will es gar nicht wissen.
Unmittelbar vor mir verliert jemand auf Grund plötzlicher Aktivitäten die Nerven. Panik bricht in der Schlange aus; ich strenge mich einen Moment an, damit ich sehen kann, wer sie verursacht hat. offenbar ist jemand aus der Reihe getreten und hat einen Soldaten angegriffen. ob ich diese Ablenkung nutzen und selbst einen Fluchtversuch unternehmen sollte? Andere denken offenbar dasselbe. Mindestens zwei Leute laufen bereits zu den Bäumen. Jetzt fünf, sechs, sieben … an die zehn Personen flüchten Richtung Wald. Wenn ich es wagen will, dann muss ich jetzt handeln. Die Soldaten in meiner Nähe sind abgelenkt, und wenn ich schnell genug bin, kann ich …
verdammt. Der Ausbruchsversuch endet so schnell, wie er begonnen hat. Zwei Soldaten treten vor und feuern mit ihren automatischen Waffen in die Bäume. Die Fliehenden werden ohne Vorwarnung niedergeschossen – durch Schüsse in den Rücken getötet. Viele Leute, die in der Schlange standen und in die Schusslinie gerieten, sind ebenfalls tot. Ich weiß, dass es mir nicht anders ergehen wird, sollte ich etwas versuchen.
Die Soldaten formieren sich und nehmen ihre Positionen wieder ein. Einer sagt etwas in sein Funkgerät, und wenig später nähert sich ein Lastwagen von dem Gebäude der Straße. Er hält auf der anderen Seite der Strecke auf der Höhe, wo die Schüsse gefallen sind. Leute aus der Schlange werden mit Waffengewalt gezwungen, die Toten einzusammeln und auf den Lastwagen zu laden. Hilflos sehe ich mit an, wie zwei schluchzende Frauen unter Gewaltandrohung Leichen aus dem Wald und über die Straße zerren. Einen älteren Mann und ein Mädchen, das noch keine zwanzig ist, schickt man los,
um den Leichnam des Mannes von meinem Lastwagen zu holen, der vorhin durch einen Kopfschuss getötet wurde.
40
Der wolkenbruchartige Regen dauert an, und es sieht nicht so aus, als würde er in absehbarer Zeit nachlassen. Die grauen Wolken am Himmel wirken dunkler denn je, es dämmert zusehends. Ich glaube nicht, dass ich noch lange so stehen kann. Ich spüre Hände und Füße nicht mehr. Meine Gesichtshaut fühlt sich wund und taub vor Kälte an. obwohl ich den ganzen Tag nichts zu trinken bekommen habe, ist meine Blase voll, der Schmerz unerträglich.
Ich habe Angst. Jedes Mal, wenn sich einer der Soldaten in meiner Nähe bewegt, halte ich
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