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Im Wald der stummen Schreie

Im Wald der stummen Schreie

Titel: Im Wald der stummen Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grange
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Firma.«
    »Noch nie gehört.«
    »Man nennt ihn auch den Vampir von Managua.«
    »Mit was für Leuten Sie zu tun haben ... Sind Sie ihm begegnet?«
    Jeanne sah den ausgeweideten fetten Körper vor ihrem inneren Auge. Das verwesende Fleisch, die blutverkrusteten Bücher. Sie wollte nicht in die Details gehen.
    »Ich wollte nur Ihre Meinung zu einer Hypothese einholen.«
    »Schießen Sie los.«
    »Dieses Päckchen enthielt allem Anschein nach eine Blutprobe – Blut, das mit einem Erreger infiziert war.«
    Pavois fragte in verwundertem Tonfall:
    »Was für ein Erreger?«
    »Keine Ahnung. Eine seltene Infektionskrankheit. Vielleicht ist sie auf eine bestimmte Region in Argentinien begrenzt. So etwas Ähnliches wie Tollwut.«
    »Er soll eine derartige Probe an unser Labor geschickt haben?«
    »Er kannte Nelly. Er wollte, dass sie die Probe analysiert, um den Erreger zu identifizieren.«
    »Das war nicht Nellys Fachgebiet.«
    »Aber Sie verfügen doch über die Geräte, mit denen man solche Untersuchungen durchführen kann?«
    »Ja und nein. Aber vor allem wäre es der helle Wahnsinn, eine Probe mit infektiösem Material einfach mit der Post zu verschicken.«
    Jeanne hatte mit diesem Einwand gerechnet. Bestimmt hatte Manzarena Vorsichtsmaßnahmen getroffen.
    »Was für Analysen hätte Nelly durchführen können?«, bohrte sie nach. »Hätte Sie ein Virus nachweisen können?«
    »Nein. Sie bringen die Größenordnungen durcheinander. Sie hätte Parasiten, Mikroben oder Bakterien nachweisen können. Viren sind viel kleiner ... Jedenfalls ist dies, um es noch einmal zu sagen, nicht unser eigentliches Tätigkeitsfeld.«
    »Würden solche Arbeiten Spuren in Ihrem Labor hinterlassen?«
    »Nein. Wenn Nelly die Ergebnisse nicht auf Computern gespeichert hätte, würde dies niemand merken.«
    Jeanne dachte über seine Worte nach, aber Pavois wischte ihre Überlegungen beiseite:
    »Ihre Vermutungen sind absurd, schon allein aus Sicherheitsgründen. Niemals wäre Nelly ein solches Risiko eingegangen. In unserem Labor werden jede Woche Tausende von Proben analysiert. Können Sie sich vorstellen, welche Folgen eine Verunreinigung für unsere Untersuchungen hätte?«
    »Und wie ist es mit einer genetischen Analyse?«, meinte sie. »Sie haben mir von einer Abteilung erzählt, in der Sie Krankheiten diagnostizieren können, die durch einen genetischen Defekt hervorgerufen werden.«
    »Unter der Bedingung, dass das fragliche Gen bekannt ist. Wir können eine Anomalie nur dann feststellen, wenn es sich um ein Gen handelt, das bereits identifiziert wurde. Wir erforschen aber keine neuen Gene.«
    Weitere Nachfragen würden nichts bringen. Sie folgte der falschen Spur. Also verabschiedete sie sich von Bernard Pavois, nachdem sie versprochen hatte, sich bald wieder zu melden, und legte auf. Heute würde sie nicht weiter über diese Fragen nachgrübeln. Sie schaltete die Klimaanlage in ihrem Zimmer aus – ihre Nase war mittlerweile eiskalt. Dann nahm sie eine Dusche und streifte sich Boxershorts und ein T-Shirt über, auf dem ein Bild ihrer Lieblingsband Nine Inch Nails prangte. Sie legte sich gleich schlafen. Das war im Augenblick das Beste, was sie tun konnte.
    Sie dachte an Antoine Féraud, als sie das Licht ausschaltete. War er wirklich tot, wie sie ein paar Stunden zuvor geglaubt hatte? Oder war er mit seinen Nachforschungen nur schon weiter als sie?
    Einige Minuten später schlief sie tief und fest in einer Höhle, umgeben von prähistorischen Menschen mit affenähnlichen Gesichtern.

 
    44
    Blutbank, zum zweiten.
    10.00 Uhr morgens. Bei Plasma Inc. schien alles normal zu laufen. Jeanne hatte erwartet, dass die Firma geschlossen wäre. Oder dass ein schwarzes Band am Eingang den Zutritt versperrte. Nichts Ungewöhnliches. Keinerlei Hinweise auf den Tod des Vampirs von Managua. Das Geschäft mit dem Blut lief weiter. Genauso unbeirrbar wie die Strömung eines scharlachroten Flusses.
    Jeanne passierte die erste Sperre. Unter ihren Füßen spürte sie den glühenden Asphalt. Die Hitze kam ihr noch schlimmer vor als am Vortag. Um die Mittagszeit würde die Stadt einem Vulkankrater gleichen.
    Im Innern des Gebäudes lief das Geschäft in ruhigen Bahnen. Warteschlangen, Gedränge an den Schaltern, surrende Fernseher. In der Eingangshalle entdeckte Jeanne die Sekretärin. Die kleine Frau hatte rote Augen.
    Jeanne redete nicht lange um den heißen Brei herum:
    »Erkennen Sie mich wieder? Ich war gestern da, um mit Eduardo Manzarena zu

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