Im Wald der stummen Schreie
auf Hochtouren arbeitete.
»Weshalb sind Sie hier?«
»Wir möchten mit Ihnen über Jorge de Almeida sprechen. Sein Verschwinden steht möglicherweise in Zusammenhang mit einer Mordserie, zu der wir in Frankreich ermitteln.«
Taïeb warf sich in eine Tänzerpose.
»Verstehe, verstehe ...«, sagte er, wobei sein Gesicht das genaue Gegenteil auszudrücken schien. Hastig stellte er den Schemel ab. In seiner Hand wurde ein Jackett sichtbar.
»Gehen wir einen Kaffee trinken.«
Sie kehrten zurück auf den großen Platz. Aus dem Augenwinkel beobachtete Jeanne den Wissenschaftler, wie er über die Straße trottete. Taïeb gehörte vermutlich der bedeutenden jüdischen Gemeinde von Tucumán an. Er schien große Sorgfalt auf seine Kleidung zu verwenden – Jeans, Hemd mit Schottenkaro, Leinensakko. Dies zeigte sich an den beiläufigsten Gesten. Er ließ eine Hand in eine Tasche gleiten. Rückte den Schlüsselbund an seinem Gürtel zurecht. Glättete eine Falte in seinem Hemd.
Er wählte ein kleines italienisches Café aus, das den Namen Jockey Club trug. Eine Theke aus schwarzem Marmor. Braun getäfelte Wände, Stühle und Tische aus hellem Holz. Der Geruch von stark geröstetem Kaffee erfüllte die Luft.
Sie ließen sich auf Barhockern an der Theke nieder.
»Nun«, sagte der Anthropologe, nachdem er für sie alle Kaffee bestellt hatte, »Dr. Almeida war verrückt.«
»Weshalb sprechen Sie von ihm in der Vergangenheit?«
»Er ist nun schon seit zwei Monaten verschwunden. Zwei Monate ohne das geringste Lebenszeichen. Beantwortet das Ihre Frage?«
Sein argentinischer Akzent war kaum zu verstehen. Er verschluckte ganze Silben. Manchmal murmelte er die Worte vor sich hin, dann wieder ratterte er sie herunter. Eine raue Sprache, die direkt den Furchen der Äcker rund um die Stadt zu entspringen schien.
Der Kaffee wurde gebracht. Taïeb griff nach der Zuckerdose und gab drei Stück Würfelzucker in seine winzige Tasse. Er war so lebhaft wie ein Fisch im Wasser.
»Glauben Sie, dass er tot ist?«
Der Anthropologe zuckte mit den Schultern, während er den Kaffee umrührte.
»Das war voraussehbar. De Almeida war besessen.«
»Wovon?«
»Dieser Region ... Dem Noreste, dem Chaco ...«
»Wir wissen, dass er dort bedeutsame Entdeckungen gemacht hat.«
»Von wegen. Das behauptete er, aber er hat nie den geringsten Beweis dafür geliefert.«
»Man hat uns von Knochenfunden erzählt ...«
Taïeb lachte laut auf.
»Niemand hat sie je gesehen. Er hat seine Funde eifersüchtig gehütet. Vielleicht hat er ja überhaupt nichts gefunden. Das halte ich persönlich für das Wahrscheinlichste.«
»Könnten Sie uns die Geschichte von Anfang an erzählen?«
Der Anthropologe rührte noch immer den Kaffee um.
»Zunächst hat sich Jorge an der Universität Buenos Aires durch herausragende Leistungen hervorgetan. Seine Doktorarbeit über die Wanderung des Homo sapiens über die Beringstraße ist sofort zu einem Standardwerk geworden. Als er sich an unserem Institut in Tucumán bewarb, haben wir ihn mit offenen Armen aufgenommen. Wir glaubten, dass er sich an unseren Grabungsprojekten beteiligen würde. Von wegen! Er kam nur zu uns, um seiner fixen Idee besser nachgehen zu können: der Existenz paläolithischer Überreste im Noreste, in der Provinz Formosa. Eine absurde Hypothese.«
Schon Constanza hatte Zweifel geäußert. Taïeb trank seinen Kaffee in einem Zug.
»Trotzdem ist es ihm gelungen, die Gelder für eine erste Expedition aufzubringen«, fuhr er fort. »Im Jahr 2006. Eine mehrmonatige Rundreise.«
»Hat er etwas entdeckt?«
»Ich sage es Ihnen noch einmal: Er hat nichts zeigen wollen. Aber er sagte, er wäre an einem großen Ding dran. So hat er sich ausgedrückt. Ein großes Ding. Unsere Arbeiten fand er erbärmlich, als wären unsere Projekte überholt.«
»Ist er im Jahr darauf erneut aufgebrochen?«
»Ja, er verschwand für einen weiteren Monat. Als er zurückkam, war er viel ruhiger. Zu ruhig, um genau zu sein.«
»Zu ruhig?«
»Er schien ... Angst zu haben. Genau.« Der Anthropologe wirkte nachdenklich. »Angst vor dem, was er gesehen hatte.«
»Und nach wie vor hat er nicht gesagt, worum es sich handelte?«
»Nein. Er behauptete, er müsse zunächst einmal Analysen durchführen. Geeignete Partner kontaktieren. De Almeida tat, als wäre seine Entdeckung von so großer Tragweite, dass er mit Bedacht vorgehen müsse. Offenbar hatte ihn das Sumpffieber befallen.«
»Haben Sie denn nie erfahren, was ihn so
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