Im Wald der stummen Schreie
links über den Treppenabsatz. Brennende Trümmer fielen von oberen Stockwerken herab, offenbarten blitzartig aufleuchtend die Gewalt des Feuersturms. Sie stieg weiter hinauf, dem Sicherungsseil und den Schläuchen folgend, die sich nach oben schlängelten.
Zweiter Stock.
Noch immer keine Flammen. Nur Finsternis. Die verdichtete Luft ließ ihre Lungen erstarren. Sie strauchelte, tastete sich langsam vorwärts.
Dritter Stock.
Schließlich das Feuer. Gesprungene Türen, von den Flammen zerfressenes Holz. Kein Feuerwehrmann. Das Sicherungsseil und die Schläuche sah sie nicht mehr. Sie tastete sich am Treppengeländer entlang. Die Stufen kamen ihr weniger fest vor. Brüchig. Sie stieg so schnell hinauf, wie sie konnte, aus Furcht, alles könnte einstürzen.
Vierter Stock.
Drei offen stehende Türen, von Flammen eingerahmt. In jeder Wohnung befand sich ein Löschtrupp, der die Brandherde bekämpfte. Jeanne bemerkte, dass das Geländer aufgehört hatte. Der Treppenabsatz ging ins Leere.
Taine wohnte noch weiter oben. Jeanne wollte die nächsten Stiegen in Angriff nehmen, als ein greller Feuerball explodierte. Flammen schlugen zischend überall gleichzeitig empor. Jeanne drehte sich um, stürzte und fiel auf den Hintern. Eine Sekunde später preschten Feuerwehrleute aus der Wohnung links von ihr, getrieben von dem Flammenmeer. Einer von ihnen, gegen die Glut kämpfend, wich zurück und drohte in die Tiefe zu stürzen.
Ohne zu überlegen, sprang Jeanne auf die Beine und packte den taumelnden Mann am Ärmel. Sie hatte keine Kraft, aber es genügte, dass sie sich, ohne den Griff zu lockern, nach hinten fallen ließ, sodass sie den Feuerwehrmann abfing und mit sich riss. Sie stürzten alle beide auf die Treppe.
Sich gegen die lodernden Flammen stemmend, hielt Jeanne den Mann an seiner Jacke fest. Noch immer schwebten seine Füße über dem Abgrund. Sie drückte ihre Absätze in den verkohlten Teppich und die Dielen des rötlich schimmernden Parketts. Lichtkegel von Scheinwerfern tauchten auf. Sie erkannte das auf die Jacke genähte Rangabzeichen. Ein Brandmeister oder -direktor. Behandschuhte Hände erreichten sie. Visiere, wie mit geschmolzenem Quecksilber lackiert, durchschnitten den Rauch.
Jeanne löste sich aus dem Durcheinander. Drehte sich um. Erklomm die letzten Stiegen auf allen vieren und erreichte schließlich, wie ein Flugzeug über den Wolken die Sonne, das Feuer in seiner ungezügelten Heftigkeit.
Fünfter Stock.
Überall Flammen. Vom Holzfußboden emporschlagend, an den Wänden leckend, die Decke verzehrend. Jeannes Maske fing Feuer. Sie riss sie herunter, warf die Sauerstoffflasche ab, trat die mittlere Tür ein und verschwand in der Türöffnung, das Gesicht mit dem Arm schützend. Die Wohnung Taines war nur noch ein glühender Dschungel.
Den Arm vor dem Gesicht, ging sie mit kleinen Schritten voran, wobei sie versuchte, sich den Plan der Wohnung zu vergegenwärtigen. Sie tappte durch die Diele und fand das Wohnzimmer in eine Flammenhölle verwandelt. Erschrocken prallte sie zurück und fiel auf den Rücken.
Als sie wieder aufstehen wollte, sah sie ihn.
Im Zwischengeschoss rang François Taine inmitten der lodernden Flammen mit einem kleinen Menschen, der ihn in der Feuersbrunst zurückhielt. Sie wollte schreien. Aber brennend heiße Luft fuhr in ihren Rachen und ließ sie reflexartig die Lippen schließen.
Entsetzt wich sie weiter zurück.
Kniff die Augen zusammen, um das, was sich da abspielte, besser zu erkennen.
Der Gegner Taines war ein nackter, kleinwüchsiger Mensch. Vielleicht ein Kind. Ein buckliger schwarzer Körper. Im Widerschein der Flammen schimmerte sein Haar rötlich. Er hatte einen überlangen, fliehenden Eierkopf, ähnlich wie die Aliens in den gleichnamigen Filmen. Er schien die Verbrennungen nicht zu spüren. Er hielt sein Opfer in die Flammen, ähnlich wie ein Apnoe-Taucher einen Schwimmer ertränken würde, indem er ihn mit sich in die Tiefe riss.
Jeanne dachte »Joachim«, als das Monster den Kopf in ihre Richtung wandte. Sie war starr vor Entsetzen. Der missgestaltete Jugendliche starrte sie mit seinen funkelnden Augen an, gleichgültig gegen das Flammenmeer, das sie beide verschlang – ihn und Taine. Sein Gesicht, das in der Hitze wie geschrumpft war, wies unverkennbar affenähnliche Züge auf.
Jeanne streckte den Arm aus. In diesem Moment stürzte das Zwischengeschoss ein und riss die beiden Gestalten unter Donnergetöse mit sich hinab.
Sonst sah sie nichts.
Sie
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