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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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Katastrophe in der kalifornischen Mine kam genau zum richtigen Zeitpunkt, kurz nach unserem Kauf. Eigenartiger Zufall, oder?«
    »Zufall oder nicht. Goldzahn hatte wieder mal den richtigen Riecher«, lachte der Devisenhändler, was ihm sofort einen strafenden Blick seines Chefs eintrug. Über Kunden sprach man nicht in der Öffentlichkeit, auch nicht mit Pseudonymen. Huan ›Goldzahn‹ Li war leitender Manager der finanzstarken Investmentfirma ›Galaxy Boom Industries‹ in Macao. Den Übernamen hatte er sich durch den leuchtend goldenen Eckzahn verdient, den er stolz zur Schau trug. Robert hatte den potenten Kunden von seinem unglücklichen Vorgänger bei ES&Co geerbt, dessen ›Enduro‹ man bis heute nicht aus den Tiefen des Urnersees geborgen hatte. Die Leiche wurde zwei Monate nach dem Unfall an Land getrieben. Jedenfalls war Goldzahn das Beste, was man einem Banker hinterlassen konnte. Der kleine grauhaarige Chinese – klein waren sie alle – richtete stets mit der ganz großen Kelle an. Die Deals, die er über seine diskrete Schweizer Bank abwickelte, führten seit Jahren regelmäßig zu fetten Provisionen. Und nicht zum ersten Mal heute Morgen hatte sich auch die private, strategische Position gelohnt, die er als Trittbrettfahrer nach dem Muster seines Kunden aufgebaut hatte. Leicht verdientes Geld im Grunde genommen. Das Risiko hielt sich dabei in Grenzen, denn Goldzahn lag bisher immer auf der richtigen Seite. Vielleicht lag es an seinem roten Löwen, der ihn auch auf seinen Reisen in die Schweiz begleitete. Einmal warf Robert einen zufälligen Blick ins Aktenköfferchen des Chinesen, und er hätte schwören können, dass sich nichts als das kleine Plüschtier darin befand.
    »Was der kleine Scheißer wohl als Nächstes im Schilde führt?«, raunte er Charlotte ins Ohr beim Verlassen des Restaurants.
    Sie lächelte spöttisch und gab ebenso leise zurück: »Kannst es wohl nicht erwarten bis er mit seiner zierlichen Mei wieder aufkreuzt.«
    So ganz falsch war die scherzhafte Feststellung nicht. Zierlich und knallhart, dachte er und schaute verträumt der Rauchwolke seiner Zigarette nach.
     
    Anacostia, Washington DC
     
    Bob Wilson traute seinen Augen nicht. Bald halb zwei. Seit fast einer Stunde steckte er in dieser Kolonne auf dem Anacostia Freeway und näherte sich bestenfalls im Schritttempo dem Campus des heiß geliebten Department of Homeland Security. Wie konnten sie die neuen Büros in eine derart gottverlassene Gegend bauen, die vor allem durch mannshohe Maschendrahtzäune glänzte? Im Leben wäre er nicht auf die Idee gekommen, hier auch nur durchzufahren. Aber wenn das allmächtige DHS rief, musste auch die fast allmächtige NSA gehorchen. Er griff zum Telefon, um seine Verspätung anzukündigen. Eine Viertelstunde würde er noch brauchen, sofern er den neuen Campus überhaupt fände.
    Es war viertel vor zwei, als er den Saal betrat. »Habe ich etwas verpasst?«, grüsste er den Sitzungsleiter kaltschnäuzig.
    »Eine Viertelstunde.«
    Sie belauerten sich einen Augenblick lang wie zwei verwundete Pitbulls, dann setzte er sich wortlos auf den nächsten leeren Stuhl.
    »Nachdem jetzt alle eingetroffen sind, können wir Punkt zwei in Angriff nehmen«, fuhr der Sitzungsleiter vom DHS trocken weiter. Er schaute demonstrativ auf seine Uhr. »Wir haben noch genau achtzehn Stunden und dreizehn Minuten bis zum nächsten Briefing des Sicherheitsberaters. Wir sollten die Zeit nutzen.«
    Kopfrechnen kann er, dachte Bob verächtlich. Ken Brown, der diese überflüssige Sitzung leitete, war einer seiner zahlreichen Lieblingsfeinde beim DHS, und auch dieses Meeting begann genau so, wie er befürchtet hatte. Er wäre besser zwei Stunden zu spät gekommen.
    Brown forderte seinen Kampfredner Pete Miller auf, die bisherigen Erkenntnisse des Departments zum Fall Mountain Pass zu präsentieren. Obwohl Miller wie ein Maschinengewehr sprach, war er keineswegs schneller fertig, denn er hatte viel zu sagen. Minutiös zählte er die Quellen auf, die er und seine Heerschar von Beamten angezapft, die Informationen, die sie in mühseliger und professioneller Kleinarbeit zusammengetragen hatten, bevor er endlich zum ernüchternden Schluss kam:
    »Um es kurz zusammenzufassen: aufgrund der Facts betrachten wir eine Verbindung zu islamistischen Terrorzellen und al-Qaida zurzeit als eher unwahrscheinlich.«
    Bob zählte innerlich langsam bis drei, um nicht zu explodieren. Was dieser Schnellschwätzer von sich gab, war keine

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