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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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und sagte ruhig: »Wir sind da.«
    Der Motor lief noch, als Ryan aus dem Wagen sprang. Nach wenigen Sätzen verschwand er in der Abflughalle. Sie folgte ihm diskret, ohne ihn aus den Augen zu verlieren. Der Flughafen von Faro war glücklicherweise einigermaßen übersichtlich. Größe und Betrieb erinnerten sie ein wenig an den Provinzflughafen von Bristol. Sie fand Ryan gestikulierend an einem Check-in-Schalter. Sorgfältig darauf achtend, dass er sie nicht sehen konnte, trat sie näher, doch sie verstand kein Wort. Der Geräuschpegel in der Halle war zu hoch. Wenn sie die Pantomime richtig deutete, lief es nicht gut für ihn. Nach einigen Minuten wandte er sich denn auch sichtlich geknickt vom Schalter ab und schlenderte in Gedanken versunken zum Ausgang.
    Sie wartete an der Tür auf ihn. »Zu spät?«, fragte sie leise. Der mitfühlende Ton gelang ihr ganz gut, fand sie.
    Er blickte sie konsterniert an, als überraschte es ihn, sie hier zu sehen. »Die Maschine ist schon am Start«, murmelte er undeutlich. »Was mache ich jetzt?«
    Die Antwort lag auf der Hand, aber er musste sie selber finden. Reden sollten sie. »Kaffee?«, fragte sie, um die Richtung vorzugeben. Sein Achselzucken war Zustimmung genug. Sie holte zwei Tassen rabenschwarzen Espresso an der Bar, dann setzten sie sich an ein Tischchen in der Nähe. Zum zweiten Mal an diesem Tag saßen sie sich gegenüber, doch inzwischen lag ein Teil seiner Welt in Trümmern, und sie war nicht ganz unschuldig daran. Das versuchte ihr einmal mehr das feine Stimmchen ihres Gewissens zu erklären. Unwirsch schüttelte sie den unangenehmen Gedanken ab. Mit einem weiteren halbherzigen »Tut mir leid« wollte sie das störende Gewissen ein für allemal zum Schweigen bringen, doch es kam nicht soweit.
    Ryan schüttelte plötzlich energisch den Kopf und brummte verärgert: »Warum tut sie so was?«
    Er musste noch einiges lernen über Frauen, soviel war klar. Immerhin beantwortete er die heikle Frage gleich selbst:
    »Sie ist eifersüchtig. Und impulsiv. Das hat sie mir schon vor der Abreise in Weymouth gezeigt. Aber – warum erzähle ich Ihnen das?«
    »Weil Sie jemanden zum Reden brauchen?«
    »Ausgerechnet Sie«, platzte er heraus. »Entschuldigung – war nicht so gemeint.«
    »Sie wird sich schon wieder beruhigen, glauben Sie mir«, beschwichtigte sie.
    Er schaute sie unsicher an, leidend wie ein geschlagener Hund. Sie musste den Blick senken, um endlich das Thema wechseln zu können. Er war geschwächt, solange er seine Wunden leckte, und das musste sie ausnutzen, ob es ihr passte oder nicht.
    »Ich habe Sie angelogen«, sagte sie rundheraus.
    »Auch das noch.«
    Sie vergewisserte sich, dass ihnen niemand zuhörte, dann fuhr sie fort: »Ich arbeite nicht für das ›Journal‹.«
    »Sagten Sie bereits«, meinte er müde.
    »Die Journalistin war eine Tarnung.« Sie beugte sich vor, fixierte ihn mit ernstem Blick und senkte die Stimme: »Was ich Ihnen jetzt sage, muss unter uns bleiben. Versprechen Sie mir das?«
    »Ich bin immer noch verlobt, glaube ich«, antwortete er mit schiefem Grinsen.
    »Darum geht es nicht.« Drei Burschen setzten sich mit ihren Bierdosen an den Nebentisch. »Ich schlage vor, wir reden im Wagen weiter«, sagte sie und stand auf. Schweigend gingen sie zum Wagen. Das Innere hatte sich in einen Glutofen verwandelt. Sie drehte die Klimaanlage auf die höchste Stufe. Bis sie den Ventilator wieder herunterschraubte, war nicht an Unterhaltung zu denken. Erst danach fragte er bitter:
    »Das Interview, Ihr Interesse an meiner Arbeit – alles nur Show?«
    »Nein«, entgegnete sie hastig. »Zweimal nein. Ich – wir – sind so sehr an Ihrer Arbeit interessiert, dass wir Sie unbedingt für eine Kooperation gewinnen möchten.«
    »Wer ist wir?«
    »Die NSA.«
    »Die Nasa?«
    »Nein, Sie haben schon richtig verstanden. NSA, die ›National Security Agency‹.«
    »Verarschen kann ich mich selbst.«
    »Es ist kein Scherz. Diesmal ist es die Wahrheit, vertrauen Sie mir.«
    »Wie könnte ich, und warum sollte ich?«
    »Bitte«, beschwor sie ihn, »Ich weiß, ich habe Ihr Vertrauen nicht verdient. Wenn ich Sie verletzt habe, tut es mir sehr leid. Bitte hören Sie mir zu, dann werden Sie verstehen.«
    Er musterte sie eine Weile misstrauisch, dann sagte er unschlüssig: «Ich glaube, wir sollten zurückfahren. Ich muss packen.«
    »O. K., wir können auch während der Fahrt reden.«
    Der Anfang war gemacht. Erleichtert fuhr sie los, und kurze Zeit später

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