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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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etwas ziemlich Starkes schlucken.«
    »Die lieben Eltern«, grinste er, »können ganz schön anstrengend sein.«
    »Anstrengend ist kein Ausdruck. Dad kennt mich nicht mehr und Mutter – ach, was soll’s. Was willst du?«
    Ich will gar nichts. Entschuldige, wenn ich eure Idylle störe, aber der Verrückte aus Macao hatte wieder einen seiner genialen Einfälle.«
    Er las ihr das Fax vor und hoffte inständig, sie würde nicht gleich wieder auflegen. Seine Lotte und ihre ausgezeichneten Verbindungen zur Londoner City war die letzte Hoffnung, Goldzahns Geschäft doch noch einigermaßen ohne Gesichtsverlust abwickeln zu können.
    Ihre erste Reaktion kam nicht unerwartet. »Der spinnt.«
    »Genau das habe ich heute schon einmal gehört.«
    »Ist doch wahr. Warum will er das Blech überhaupt in der Schweiz?«
    Er schwieg. Sie konnte sich die Frage genauso gut selbst beantworten.
    »Der sichere Hafen, ich weiß«, spottete sie. »Lass mich nachdenken.«
    Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Wenn sie keinen vernünftigen Vorschlag brachte, stand ihm ein extrem unangenehmes Telefonat nach Macao bevor.
    Plötzlich sagte sie entschieden: »Ich sehe nur eine Möglichkeit. Wir machen es wie die Schweizer Banken mit dem Gold aus Südafrika zur Zeit der Apartheid.«
    »Keine Ahnung, was du meinst.«
    Zum ersten Mal hörte er von den sonderbaren, verschwiegenen Goldtransporten in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Und was sie schilderte, flösste ihm kein sonderliches Vertrauen ein.
    »Das ist verrückt«, sagte er ungläubig, nachdem sie geendet hatte.
    »Genau wie Mr. Li«, lachte sie. »Lass es uns wenigstens versuchen.«
    »Uns? Heißt das, du ...«
    »Was denkst du denn. Hol mich hier raus. Ich flehe dich an.«
    Der Frau konnte geholfen werden. Sie verstand es, mit liebenswürdigem Auftreten Gegner und Geschäftspartner enorm unter Druck zu setzen. Wenn sie die Sache selbst in die Hand nahm, konnte er sich beruhigt schlafen legen.

Flughafen Heathrow, London      
     
    Die Kosten für die Charterflüge waren astronomisch, das Doppelte des üblichen Preises. Aber am Montagmorgen stand der Airbus A321-200 mit kompletter Mannschaft und aufgetankt vor der Frachthalle. Charlotte trat von einem Bein aufs andere, ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. Der Kopilot, der mit ihr am Fuß der Treppe wartete, hatte seine Versuche aufgegeben, mit ihr zu kommunizieren. Sie hatte jetzt weder Zeit noch Lust, nett zu sein. Die ersten vier Geldtransporter befanden sich noch nicht auf dem Gelände des Flughafens, und das Startfenster um 06:15 Uhr rückte unerbittlich näher.
    »Wo sind sie?«, fragte sie zum x-ten Mal die Angestellte im Kontrollzentrum der Sicherheitsfirma. Seit einer Stunde hielt sie die Leitung nach London ständig offen, wollte über jede Phase des Transports informiert sein.
    »›Charlie Eins‹ fährt gerade auf den Exit Uxbridge zu. Acht bis zehn Minuten. Der letzte Wagen müsste in zwanzig bis dreißig Minuten eintreffen.«
    Aus den zehn Minuten wurden unerträgliche fünfzehn, dann sah sie endlich den weißen Geldtransporter, begleitet von der Flughafenpolizei, gemächlich auf sie zurollen. Sie verwünschte den Versicherungsagenten. Ohne den sturen Bock wären jetzt die ganzen zwanzig Tonnen für den ersten Flug bereit zum Verladen. Sie hätte einen einzigen schweren Transporter eingesetzt, aber die Versicherung beharrte darauf, mehrere kleinere Panzerwagen einzusetzen, die zudem auf unterschiedlichen Routen zum Flughafen fahren mussten. Nur mit Glück würden sie das Startfenster schaffen.
    »Es wird knapp«, kommentierte der Kopilot hilfreich, während er den Transporter in die richtige Parkposition einwies.
    Die mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten bezogen nach kurzer Besprechung mit ihr und dem Kopiloten Stellung, dann gab ihr Anführer den Männern im Geldtransporter das O. K. Sie konnten beginnen, die ersten fünf Tonnen Gold zu verladen. Obwohl sie den Ablauf der seltsamen Ladeprozedur mit den starken Männern der Transportfirma und des Flughafens so gut es ging trocken geübt hatte, blieben Zweifel, ob die Theorie auch in der Praxis funktionierte. Die schweren Barren mussten erst auf den Hubstapler gekarrt, dann zur Tür hinauf gehievt und schließlich nach einem ausgeklügelten Plan zu den Sitzen gerollt werden. Statt eines Passagiers saßen am Ende acht Barren festgezurrt in jedem Sessel. Jeder der Standardbarren wog 400 Feinunzen oder rund 12.5 Kilogramm. Knapp hundert Kilogramm

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