Im Westen geht die Sonne unter
entlarven, gab es nicht, und das sagte er dem Professor auch.
»Das ist in der Tat erfreulich, junger Mann«, gab Saunders zu.
Nach dieser versöhnlichen Bemerkung verließ er das Büro. Es wurde Zeit, dass die lahmen Computersysteme das neuste Resultat zur Entwicklung der Goldblase ausspuckten. Er nannte sie Goldblase, weil er keinen besseren Begriff dafür fand. Alle bisherigen Untersuchungen bestätigten seine erste Vermutung, dass der wahnwitzige Anstieg des Goldpreises alles andere als eine Blase war, die irgendwann in absehbarer Zeit platzen würde. Vom aktuellen Lauf erhoffte er sich lediglich eine weitere Bestätigung.
Wie erwartet lagen die Ergebnisse bereit zur Analyse. Die Bilder des Visualisierungsprogramms erschienen ihm seltsam nackt, unvollständig ohne die grünen Dreiecke der SWIFT-Dimension. Mit wenigen Mausklicks, die längst zur Gewohnheit geworden waren, verschaffte er sich einen Überblick über die Situation auf den Gold- und Devisenmärkten. Erst bemerkte er nichts Ungewöhnliches. Er sah, was er erwartete. Der Anstieg des Goldpreises flachte zwar ab, hielt aber immer noch an. Das wusste er aus Bloomberg- und Reuters-Displays. Beim Blick auf die Prognose für die nächsten vier Wochen stutzte er. Der letzte Lauf vor zwei Tagen hatte noch ein anderes Bild gezeigt. Die alte Kurve deutete klar darauf hin, dass der Preis sich innerhalb des nächsten Monats auf hohem Niveau stabilisieren würde, wie er angenommen hatte. Die Grafik auf dem Bildschirm sah anders aus. Mit einer Wahrscheinlichkeit von achtzig Prozent würde der Preis um zehn Prozent fallen oder um dreißig Prozent steigen.
»Tendenz steigend«, murmelte er verwirrt. Gut für seine eigene Goldposition, aber er verstand es trotzdem nicht, weder ökonomisch noch mathematisch. »Wie ist das möglich?«, fragte er den Bildschirm. Aufgeregt rief er eine Reihe weiterer Grafiken und Tabellen ab, um sie eilig zu studieren. Eine Viertelstunde später gab es keinen Zweifel mehr. Sein Modell hatte festgestellt, dass die Häufigkeit von Goldkäufen nach wie vor hoch blieb, dass sich die Transaktionen aber regelmäßig auf alle Märkte des Globus verteilten. Die Dominanz der europäischen Finanzplätze war verschwunden. Auch ohne SWIFT-Auswertung sah es so aus, als wäre die Swiss Connection dabei, auszusteigen. Und trotzdem legte die Prognose den Schluss nahe, dass ein weiterer sprunghafter Anstieg des Goldpreises bevorstand. Noch vor wenigen Minuten hatte er damit geprahlt, wie gut sein Modell nun verifiziert sei, doch nach diesen neuen Daten nagten erhebliche Zweifel an ihm. Ich müsste die SWIFT-Daten haben, schoss ihm durch den Kopf. Mit den farbigen Dreiecken ergäbe sich ein vollständigeres Bild, obwohl sie nichts an der Prognose ändern würden. Es hielt ihn nicht mehr im Sessel. Wie stets, wenn er allzu erregt war, musste er sich bewegen. Er ging zum offenen Fenster, sog die schwüle Abendluft ein, als berge sie die dringend benötigte Erkenntnis. Er schritt die Formeln an seiner Wand ab, stellte sich davor und fragte ungeduldig:
»Wo ist der Fehler?«
Die Sonne begann schon unter den Horizont zu sinken, als er das Büro verließ, immer noch ratlos. Je länger er über das unerwartete Ergebnis nachdachte, desto deutlicher sagte ihm eine innere Stimme, dass er auch dieses Resultat akzeptieren musste. Es war nicht zulässig, nur dann am Modell zu zweifeln, wenn der Output nicht plausibel war. Er beschleunigte seine Schritte, denn er war spät dran. Mr. Meriwether schätzte es gar nicht, wenn er sein Abendessen nicht rechtzeitig erhielt, gerade jetzt, wo er seine Mutterpflichten rund um die Uhr erfüllen musste.
»Ich muss Alex anrufen«, sagte er zum ex-Kater.
Mr. Meriwether schaute kurz vom Teller auf und musterte ihn misstrauisch.
»Ja, du hast recht«, seufzte er nach einer Weile. »Ist keine gute Idee.«
Nach seiner Versöhnung mit Jessie musste er doppelt vorsichtig sein. Der Gedanke an die Möglichkeit, dass sein Modell doch die richtige Prognose stellte, beunruhigte ihn umso mehr. Es war, als wüsste er von einem bevorstehenden Vulkanausbruch und dürfte die Leute nicht warnen. Die Rauchzeichen jedenfalls waren nicht mehr zu übersehen.
Kapitel 7
Paradeplatz, Zürich
Robert Bauer schnippte den Zigarettenstummel nervös in den Straßengraben. Er schielte besorgt auf seinen Devisenhändler. Der Mann bereitete ihm allmählich echte Sorgen. Renzos Gesicht wirkte grau und eingefallen, wie das eines kranken, alten
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