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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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sich, gab auf und reichte ihm stattdessen ein volles Glas.
    »Der Kleine hat bloß Glück gehabt«, murmelte ein rothaariges Model neben ihnen. Die Frau trug Designer-Jeans, die jede Rundung betonten, eine weiße Bluse, durch die der schwarze BH schimmerte und schaute sie mit schönen Augen an, als müsste sie sich in dieser Sekunde zwischen ihnen entscheiden.
    »Mit deinen Dingern brauchst du noch nicht einmal Glück, um Karriere zu machen«, gab Greg erstaunlich fehlerfrei zurück.
    Die Rothaarige wandte sich dem unbekannten Besucher zu. Genüsslich schilderte sie Ryan den Beinahe-Absturz des Kleinen vor noch nicht allzu langer Zeit. »Die gleichen Typen bei ›Goldman Sachs‹ hätten ihm fast die Eier abgeschnitten, wissen Sie«, meinte sie vertraulich.
    Greg wehrte sich: »Blödsinn, Fran. Du verstehst nicht die Bohne von unserm Desk.« Auch er wandte sich nun vertraulich mit feuchter Aussprache an Ryan, dem die Sache allmählich über den Kopf wuchs. »Fran ist eine von Mikes Harem am Geldmarkt-Desk, musst du wissen. Dort findest du nur hinreißende Ladies wie sie, und weißt du warum?«
    Ryan zuckte ratlos die Achseln, scharf beobachtet von der rassigen Fran.
    »Weil Mike der Boss ist!«, platzte Greg heraus. Er fand seinen lahmen Witz so erheiternd, dass sein Lachen in Husten mündete, den er nur mit einem weiteren langen Zug aus seinem Glas bekämpfen konnte.
    Fran packte ihn am Hemd. Sie zog sein Gesicht so nahe zu sich heran, dass sich beinahe die Lippen berührten und zischte: »Pass auf, was du sagst, Kleiner.« Dann ließ sie beide Männer stehen.
    Greg schaute ihr selbstvergessen nach und schnurrte: »Klasseweib, was meinst du?«
    Ryan wollte sich nach dem kurzen Intermezzo nicht festlegen und wich aus: »Stimmt das mit dem Harem?«
    »Mike? Sicher, der Geldmarkthandel stellt nur weibliches Personal ein. Junges, appetitliches Gemüse.«
    »Aus welchem Jahrhundert stammt dieser Mike?«
    »Keine Ahnung«, lachte Greg. »Auf jeden Fall möchte ich einigen seiner Sirenen trotzdem nicht nachts allein begegnen. Fran natürlich ausgenommen.«
    »Natürlich.«
    Seit er mit ihm sprach, ließ sich Greg bereits das zweite Pint zapfen. Devisenhandel musste eine sehr durstige Beschäftigung sein. Oder reichlich ungesund. »Ich frage mich, wo das alles Platz hat«, sagte er kopfschüttelnd.
    Sein Gesprächspartner war nicht mehr der Schnellste. Er verstand die Bemerkung nicht. Immerhin riss er sich vom Anblick von Frans Rücken los und starrte ihn mit großen Augen an.
    Ryan versuchte, die Unterhaltung auf den Punkt zu bringen: »Eigentlich wollte ich dir ein paar fachliche Fragen stellen.«
    Gregs Augen weiteten sich nochmals und er führte automatisch das Glas zum Mund.
    »Hörst du überhaupt zu?« Da er sich nicht abwandte, nahm er an, es lohne sich weiterzureden. »Habt ihr in letzter Zeit ungewöhnliche Goldgeschäfte bemerkt?«
    »Was?«
    »Gold«, wiederholte er eindringlich. »Gibt es ungewöhnliche Transaktionen auf dem Edelmetallmarkt?«
    Endlich schien er zu begreifen. Er blinzelte, als überlegte er angestrengt, bevor er mit schwerer Zunge antwortete: »PM – das fragt – fragst du besser den Spec ... – den Pete vom PM Desk.«
    Er zeigte auf einen hochgewachsenen Dünnen mit schütterem grauem Haar am andern Ende des Tresens. Sofort bemerkte der Edelmetallhändler ihre Blicke und bahnte sich mit seinem Glas den Weg zu ihnen.
    Mit einer ausladenden Handbewegung stellte Greg ihn vor: »Pete – dassis Ryan, das Orakel. Der kann die Zukunft voraussagen.«
    »Was soll er auch sonst voraussagen«, grinste Pete.
    Sie schüttelten sich die Hände, und Ryan stellte seine Frage noch einmal.
    »Ungewöhnliche Transaktionen«, murmelte der Händler vom Precious Metals Desk nachdenklich. »Kann man wohl sagen. Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich behaupten, die ganze verdammte Brut der Camorra, Cosa Nostra, Triaden und Yakuza haben sich zusammengetan, um jedes Nugget zu kaufen, das sie kriegen können. Physisches Gold, man glaubt es nicht.«
    »Wer steckt denn wirklich dahinter, wenn nicht die Mafia?«
    Pete zuckte die Achseln. »Ich weiß natürlich nicht, wie’s bei unserer Konkurrenz aussieht, aber bei uns sind’s die Schweizer.«
    »Die Swiss Connection«, murmelte Ryan.
    »Guter Ausdruck, allerdings nicht ganz zutreffend.«
    »Warum?«
    Pete musterte ihn misstrauisch. »Ich glaube nicht, dass ich darüber sprechen sollte.«
    »Lass den Scheiß, Pete«, warf Greg ein, der sich plötzlich auch

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