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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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pro Sitz. Die acht Barren bildeten einen unscheinbaren, dreißig Zentimeter breiten und knapp zehn Zentimeter hohen Block mit dem aktuellen Marktwert von genau 6.24 Millionen US Dollar.
    Erst nach einer Stunde atmete Charlotte auf. Zweihundert goldene Passagiere besetzten das Flugzeug, die genauste Lastverteilung, die ein Lademeister je gesehen hatte. Kurz nach sechs rollte der teuerste Airbus aller Zeiten zum Startplatz. Sie beobachtete von der Halle aus, wie er abhob, dann hängte sie sich wieder ans Telefon.
    »Der Vogel ist unterwegs«, sagte sie ruhig zu Robert.
    »Warum überrascht mich das nicht? Du bist die Größte. Goldzahn wird dir die Füße küssen.«
    »Das wird er nicht überleben«, fauchte sie. »Ist Karls Truppe bereit in Zürich?«
    »Klar, und Goldzahns Pitbulls sind auch schon da.«
    »Beruhigt mich ungemein. Hör mal, ich muss mich um die zweite Lieferung kümmern. Die Versicherung macht Schwierigkeiten. Sie wollen die Prämie noch mal hinaufschrauben, wegen der Marktentwicklung, behaupten sie.«
    Er lachte. »Kann ich verstehen, ehrlich gesagt. Wie es aussieht, deckt allein der Kursgewinn auf die achtzig Tonnen bis zum Abend locker die ganzen 28 Millionen für die Versicherung, inklusive Transportkosten.
    Fünfzig Dollar pro Unze genügten, hatte sie errechnet, und ein solcher Kursanstieg war durchaus realistisch. Sie brach die Verbindung ab, um den nächsten Flug mit der Sicherheitsfirma vorzubereiten. Zum ersten Mal seit langer Zeit erfüllte sie das Gefühl tiefer Befriedigung. Der erste Teil ihres unmöglichen Plans war geglückt. Wenn es so weiterging, würden sie die vier Flüge für die achtzig Tonnen bis Mitternacht bewältigen. Genial. Nicht die Größte bin ich, lieber Robert. Die Genialste deiner Truppe am Paradeplatz. 
     
    Leadenhall Market, London      
     
    Auf dem ganzen Weg nach London hatte es nach Regen ausgesehen. Die Wolken hingen tief und schwarz über der Stadt, doch die Schleusen öffneten sich erst, als Ryan die Tube beim Monument verließ. Er rannte die kurze Strecke zum Eingang des Leadenhall Market. Wie ein nasser Hund schüttelte er sich beim Betreten der riesigen Galerie. Das mit Glas bedeckte gusseiserne Gewölbe, die viktorianischen Häuserfronten mit den blank polierten Edelholzfassaden, Marmorsäulen und Messingbeschlägen, die verwinkelten Gassen wirkten jedes Mal auf ihn, als sei hier ein Filmset für das Remake von ›Oliver Twist‹ gebaut worden.
    Die Menschentraube vor dem ›Lamb‹ schwatzte und lachte so laut, dass er den Weg auch als Blinder gefunden hätte. Er zwängte sich durch die Türöffnung und rettete sich auf die Treppe zum Untergeschoss. Auch hier unten herrschte Hochbetrieb. Es war nicht leicht, seinen Ex-Kommilitonen Greg unter all den unbekannten Gesichtern zu finden. Greg Acton war schon jetzt einer der Shooting Stars im Devisenhandel der ›GLT Bank‹, obwohl er heute erst seinen Fünfundzwanzigsten feierte. Plötzlich hörte Ryan seine laute Stimme. Gregs Aussprache ließ darauf schließen, dass die Banker im Keller des ›Lamb‹ nicht mehr beim ersten Pint saßen. Auch nicht beim zweiten. Vielleicht doch nicht der ideale Zeitpunkt für eine Unterhaltung über den Devisen- und Edelmetallmarkt.
    »Sauber abgetrocknet haben wir die Schweine, stimmt’s oder habe ich recht?«, warf Greg seinen Gästen laut und undeutlich an den Kopf. In der Linken das Bierglas, breitete er die Arme aus und fügte mit dem Lächeln einer seligen Putte hinzu: »So breit hat der Arsch von ›Goldman Sachs‹ gestellt. Glaubt, ich sei Brief, dann kaufe ich ihm den Schrott bei 1.4265 ab. Eine halbe Stunde später kriegt er die 100 Cable bei 1.4310 zurück. Jetzt sind wir wieder bei 4270. Der schaut vielleicht blöd aus der Wäsche.«
    »Abgetrocknet und über den Tisch gezogen«, stimmte ein älterer Kollege grinsend zu. »Unser Junior macht sich, was meint ihr?«
    Hochrufe brandeten auf, Gläser klirrten und die Dame am Zapfhahn bekam erneut alle Hände voll zu tun. Ryan rechnete schnell nach: 100 Millionen Pfund hatte der junge Devisenhändler zum Preis von 1.4265 Dollar gekauft und kurz danach für 1.4310 Dollar wieder verkauft. 450'000 Dollar Gewinn in dreißig Minuten. Nicht schlecht für einen Anfänger. Er arbeitete sich zum Geburtstagskind vor und grüßte den pfiffigen Händler, der ihm nur bis zur Schulter reichte:
    »Respekt, Kleiner. Und Glückwünsche zum Vierteljahrhundert.«
    »Sieh an, der Surfer hast – hat - ...«
    Greg verhaspelte

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