Im Westen Nichts Neues
sitzen an ihrem Rande, gefährdet und geborgen, über unsere Hände trieft Fett, wir sind uns nahe mit unseren Herzen, und die Stunde ist wie der Raum: überflackert von einem sanften Feuer, gehen die Lichter und Schatten der Empfindungen hin und her. Was weiß er von mir – was weiß ich von ihm, früher wäre keiner unserer Gedanken ähnlich gewesen – jetzt sitzen wir vor einer Gans und fühlen unser Dasein und sind uns so nahe, daß wir nicht darüber sprechen mögen.
Es dauert lange, eine Gans zu braten, auch wenn sie jung und fett ist. Wir wechseln uns deshalb ab. Einer begießt sie, während der andere unterdessen schläft. Ein herrlicher Duft verbreitet sich allmählich.
Die Geräusche von draußen werden zu einem Band, zu einem Traum, der aber die Erinnerung nicht ganz verliert. Ich sehe im Halbschlaf Kat den Löffel heben und senken, ich liebe ihn, seine Schultern, seine eckige, gebeugte Gestalt – und zu gleicher Zeit sehe ich hinter ihm Wälder und Sterne, und eine gute Stimme sagt Worte, die mir Ruhe geben, mir, einem Soldaten, der mit seinen großen Stiefeln und seinem Koppel und seinem Brotbeutel klein unter dem hohen Himmel den Weg geht, der vor ihm liegt, der rasch vergißt und nur selten noch traurig ist, der immer weitergeht unter dem großen Nachthimmel. Ein kleiner Soldat und eine gute Stimme, und wenn man ihn streicheln würde, könnte er es vielleicht nicht mehr verstehen, der Soldat mit den großen Stiefeln und dem zugeschütteten Herzen, der marschiert, weil er Stiefel trägt, und alles vergessen hat außer dem Marschieren. Sind am Horizont nicht Blumen und eine Landschaft, die so still ist, daß er weinen möchte, der Soldat? Stehen dort nicht Bilder, die er nicht verloren hat, weil er sie nie besessen hat, verwirrend, aber dennoch für ihn vorüber? Stehen dort nicht seine zwanzig Jahre?
Ist mein Gesicht naß, und wo bin ich? Kat steht vor mir, sein riesiger gebückter Schatten fällt über mich wie eine Heimat. Er spricht leise, er lächelt und geht zum Feuer zurück.
Dann sagt er: »Es ist fertig.«
»Ja, Kat.«
Ich schüttele mich. In der Mitte des Raumes leuchtet der braune Braten. Wir holen unsere zusammenklappbaren Gabeln und unsere Taschenmesser heraus und schneiden uns jeder eine Keule ab. Dazu essen wir Kommißbrot, das wir in die Soße tunken. Wir essen langsam, mit vollem Genuß.
»Schmeckt es, Kat?«
»Gut! Dir auch?«
»Gut, Kat.«
Wir sind Brüder und schieben uns gegenseitig die besten Stücke zu. Hinterher rauche ich eine Zigarette, Kat eine Zigarre. Es ist noch viel übriggeblieben.
»Wie wäre es, Kat, wenn wir Kropp und Tjaden ein Stück brächten?«
»Gemacht«, sagt er. Wir schneiden eine Portion ab und wickeln sie sorgfältig in Zeitungspapier. Den Rest wollen wir eigentlich in unsere Baracke tragen, aber Kat lacht und sagt nur: »Tjaden.«
Ich sehe es ein, wir müssen alles mitnehmen. So machen wir uns auf den Weg zum Hühnerstall, um die beiden zu wecken. Vorher packen wir noch die Federn weg. Kropp und Tjaden halten uns für eine Fata Morgana. Dann knirschen ihre Gebisse. Tjaden hat einen Flügel mit beiden Händen wie eine Mundharmonika im Munde und kaut. Er säuft das Fett aus dem Topf und schmatzt: »Das vergesse ich euch nie!«
Wir gehen zu unserer Baracke. Da ist der hohe Himmel wieder mit den Sternen und der beginnenden Dämmerung, und ich gehe darunter hin, ein Soldat mit großen Stiefeln und vollem Magen, ein kleiner Soldat in der Frühe – aber neben mir, gebeugt und eckig, geht Kat, mein Kamerad.
Die Umrisse der Baracke kommen in der Dämmerung auf uns zu wie ein schwarzer, guter Schlaf.
6.
Es wird von einer Offensive gemunkelt. Wir gehen zwei Tage früher als sonst an die Front. Auf dem Wege passieren wir eine zerschossene Schule. An ihrer Längsseite aufgestapelt steht eine doppelte, hohe Mauer von ganz neuen, hellen, unpolierten Särgen. Sie riechen noch nach Harz und Kiefern und Wald. Es sind mindestens hundert.
»Da ist ja gut vorgesorgt zur Offensive«, sagt Müller erstaunt.
»Die sind für uns«, knurrt Detering.
»Quatsch nicht!« fährt Kat ihn an.
»Sei froh, wenn du noch einen Sarg kriegst«, grinst Tjaden, »dir verpassen sie doch nur eine Zeltbahn für deine Schießbudenfigur, paß auf!«
Auch die andern machen Witze, unbehagliche Witze, was tollen wir sonst tun. – Die Särge sind ja tatsächlich für uns. In solchen Dingen klappt die Organisation.
Überall vorn brodelt es. In der ersten Nacht versuchen wir um uns
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