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Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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vor uns. Vor unserem Leben. Wir waren achtzehn Jahre und begannen die Welt und das Dasein zu lieben; wir mußten darauf schießen. Die erste Granate, die einschlug, traf in unser Herz. Wir sind abgeschlossen vom Tätigen, vom Streben, vom Fortschritt. Wir glauben nicht mehr daran; wir glauben an den Krieg.
    *
    Die Schreibstube wird lebendig. Himmelstoß scheint sie alarmiert zu haben. An der Spitze der Kolonne trabt der dicke Feldwebel. Komisch, daß fast alle etatsmäßigen Feldwebel dick sind.
    Ihm folgt der rachedürstende Himmelstoß. Seine Stiefel glänzen in der Sonne.
    Wir erheben uns. Der Spieß schnauft: »Wo ist Tjaden?«
    Natürlich weiß es keiner. Himmelstoß glitzert uns böse an.
    »Bestimmt wißt ihr es. Wollt es bloß nicht sagen. Raus mit der Sprache.«
    Der Spieß sieht sich suchend um; Tjaden ist nirgendwo zu erblicken. Er versucht es andersherum. »Ihn zehn Minuten soll Tjaden sich auf der Schreibstube melden.« Damit zieht er davon, Himmelstoß in seinem Kielwasser.
    »Ich habe das Gefühl, daß mir beim nächsten Schanzen eine Drahtrolle auf die Beine von Himmelstoß fallen wird«, vermutet Kropp.
    »Wir werden an ihm noch viel Spaß haben«, lacht Müller. Das ist nun unser Ehrgeiz: einem Briefträger die Meinung stoßen. – Ich gehe in die Baracke und sage Tjaden Bescheid, damit er verschwindet.
    Dann wechseln wir unsern Platz und lagern uns wieder, um Karten zu spielen. Denn das können wir: Kartenspielen, fluchen und Krieg führen. Nicht viel für zwanzig Jahre – zuviel für zwanzig Jahre.
    Nach einer halben Stunde ist Himmelstoß erneut bei uns.
    Niemand beachtet ihn. Er fragt nach Tjaden. Wir zucken die Achseln.
    »Ihr solltet ihn doch suchen«, beharrt er.
    »Wieso ihr?« erkundigt sich Kropp.
    »Na, ihr hier –«
    »Ich möchte Sie bitten, uns nicht zu duzen«, sagt Kropp wie ein Oberst.
    Himmelstoß fällt aus den Wolken. »Wer duzt euch denn?«
    »Sie!«
    »Ich?«
    »Ja.«
    Es arbeitet in ihm. Er schielt Kropp mißtrauisch an, weil er keine Ahnung hat, was der meint. Immerhin traut er sich in diesem Punkte nicht ganz und kommt uns entgegen. »Habt ihr ihn nicht gefunden?«
    Kropp legt sich ins Gras und sagt: »Waren Sie schon mal hier draußen?«
    »Das geht Sie gar nichts an«, bestimmt Himmelstoß. »Ich verlange Antwort.«
    »Gemacht«, erwidert Kropp und erhebt sich. »Sehen Sie mal dorthin, wo die kleinen Wölkchen stehen. Das sind die Geschosse der Flaks. Da waren wir gestern. Fünf Tote, acht Verwundete. Dabei war es eigentlich ein Spaß. Wenn Sie nächstens mit ‘rausgehen, werden die Mannschaften, bevor sie sterben, erst vor Sie hintreten, die Knochen zusammenreißen und zackig fragen: Bitte wegtreten zu dürfen! Bitte abkratzen zu dürfen! Auf Leute wie Sie haben wir hier gerade gewartet.«
    Er setzt sich wieder, und Himmelstoß verschwindet wie ein Komet.
    »Drei Tage Arrest«, vermutet Kat.
    »Das nächstemal lege ich los«, sage ich zu Albert.
    Aber es ist Schluß. Dafür findet abends beim Appell eine Vernehmung statt. In der Schreibstube sitzt unser Leutnant Bertinck und läßt einen nach dem andern rufen.
    Ich muß ebenfalls als Zeuge erscheinen und kläre auf, weshalb Tjaden rebelliert hat. Die Bettnässergeschichte macht Eindruck. Himmelstoß wird herangeholt und ich wiederhole meine Aussagen. »Stimmt das?« fragt Bertinck Himmelstoß.
    Der windet sich und muß es schließlich zugeben, als Kropp die gleichen Angaben macht.
    »Weshalb hat denn niemand das damals gemeldet?« fragt Bertinck.
    Wir schweigen; er muß doch selbst wissen, was eine Beschwerde über solche Kleinigkeiten beim Kommiß für Zweck hat. Gibt es beim Kommiß überhaupt Beschwerden? Er sieht es wohl ein und kanzelt Himmelstoß zunächst ab, indem er ihm noch einmal energisch klarmacht, daß die Front kein Kasernenhof sei. Dann kommt in verstärktem Maße Tjaden an die Reihe, der eine ausgewachsene Predigt und drei Tage Mittelarrest erhält. Kropp diktiert er mit einem Augenzwinkern einen Tag Arrest.
    »Geht nicht anders«, sagt er bedauernd zu ihm. Er ist ein vernünftiger Kerl.
    Mittelarrest ist angenehm. Das Arrestlokal ist ein früherer Hühnerstall; da können beide Besuch empfangen, wir verstehen uns schon darauf, hinzukommen. Dicker Arrest wäre Keller gewesen. Früher wurden wir auch an einen Baum gebunden, doch das ist jetzt verboten. Manchmal werden wir schon wie Menschen behandelt. Eine Stunde nachdem Tjaden und Kropp hinter ihren Drahtgittern sitzen, brechen wir zu ihnen auf. Tjaden

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