Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Wettbüro des Teufels

Im Wettbüro des Teufels

Titel: Im Wettbüro des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
die
Sicht. Es war in einem erbarmungswürdigen Zustand, war früher ein Wohnsilo der
untersten Kategorie gewesen und stand jetzt leer. Nächtens zogen dort
Obdachlose ein.
    Die Verbindung zur Käfermehrer
Straße war ein hohes Durchhaus — hoch genug, dass ein Lkw durchfahren konnte.
An dieser Stelle hatte man den ersten Stock des Wohnsilos ausgespart.
    Fressner hatte sich den Anblick
schon oft reingezogen — nicht, weil es da was zum Ergötzen gegeben hätte,
sondern weil er abends die Typen beobachtete, die in seine ,Arena’ strömten.
Waren Randalierer dabei? Betrunkene? Würde es Stunk geben? Die Polizei vor Ort
wäre ihm ein Horror gewesen. Deshalb wurden alle abgewiesen, die irgendwie
verdächtig aussahen. Herein durften nur die friedlichen Asozialen und die
sogenannten gutbürgerlichen Wetter: Papis mit Krawatte und hochgeklapptem
Mantelkragen, Onkels mit Speckwanst, Jungverdiener mit Lust auf Sensation,
Schicki-Mickis mit ihren Freundinnen — seriöse Leute also, nach Fressners
Einschätzung.
    Ihnen allen stand der Sinn nach
Nervenkitzel, nach Erlebnissen live, nach der Befriedigung gewalttätiger
Steinzeitinstinkte. Diese Leute wollten erleben, wie sich durchtrainierte
Fighter — Gladiatoren — gegenseitig invalide prügelten. Dazu wurde gebrüllt, angestachelt,
getan, als hätte man mehr Mumm als die im Ring. Und es wurde gewettet. Gewettet
auf Sieg oder Niederlage. Und wem das nicht genügte, der wettete anschließend
im Hinterzimmer, im Wettbüro, auf den Tod: auf das Ableben der Senioren in
dieser Millionenstadt.
    Jetzt ging es auf Mittag. Noch
neun Stunden bis zum ersten Fight in der ,Arena’.
    Aber auf dem Hof unten
lungerten seit etwa einer Minute vier Typen herum. Jugendliche. Drei Jungs, ein
Mädchen. Und Fressner gefiel nicht, mit welcher aufmerksamen Neugier sie alles
betrachteten.

11. Tims Matsch-Birnen-Plan
     
    TKKG hatten in der Käfermehrer
Straße zweimal nach der ,Arena’ gefragt und dann das Durchhaus gefunden — die
Einfahrt zum Hinterhof.
    Jetzt standen sie vor dem
Kampfsport-Gebäude, einer ehemaligen Lagerhalle, die offenbar Büroräume hatte
im Obergeschoss und auch im Parterre räumlich aufgeteilt war.
    Sehenswerte Front, dachte Tim.
    Dort war lüftelmalerisch der
Tod abgebildet, jedenfalls ein Skelett in Kutte, mit Kapuze über dem
Knochenschädel und einer Sense, dem symbolischen Gerät zum Abmähen der Köpfe.
Der Schriftzug ,Dead or alive’ — tot oder lebend — prangte. Und ein
richtungsweisender abgeknickter Pfeil zeigte, wo’s reinging.

    An der Seitenfront entdeckte
Tim einen Schaukasten. In dem hingen Plakate mit abgebildeten Fightern:
muskulöse Körper, Dumpfbacken-Gesichter, gebrochene Nasen, Blumenkohlohren. Die
meisten Kämpfer waren tätowiert. Zwei Halbys waren konterfeit, aber
gesichtsmäßig konnte Tim keine Ähnlichkeit mit dem Räuber aus dem Nessie-Park
ausmachen.
    Ein Plakat mit schwarzer
Schrift auf rotem Grund verkündete, dass hier jeder, der sich stark genug
fühle, in den Ring steigen könne: um gegen einen der Hausgladiatoren
anzutreten. Voraussetzung war, dass der Challenger — der Herausforderer — auf
eigenes Risiko kämpfte ohne Schadensersatzansprüche bei eventuellen
Verletzungen. Waffen durfte man nicht mitbringen.
    „Brutal!“, meinte Karl. Er
stand neben Tim.
    „Ekelhaft!“, fügte Gaby hinzu.
Sie wurde von Tim an der linken Hand gehalten und hatte ihr Schockerlebnis gut
überwunden.
    „Zweikämpfe“, sagte Tim, „gab’s
schon immer. Natürlich wurden in der Steinzeit noch keine Wetten abgeschlossen.
Da ging es schlicht darum: Wer kriegt das Weib? Wer kriegt den saftigen
Hinterschinken des Höhlenbären? Wer wohl? Der Stärkere natürlich— der, der dem
Gegner ordentlich was aufs Gehirn haut. Dieser Instinkt hat sich bis heute
erhalten. Aber die Kämpfe werden zivilisierter ausgefochten. Mit geistigen
Waffen. Mit wirtschaftlicher Macht. Mit Geld, mit dem größeren Einkommen, dem
dickeren Auto, dem pompöseren Haus, dem aktuelleren Outfit. Trotzdem sind
Muskeln immer noch gefragt. Nicht nur, um die Braut über die Schwelle zu tragen
und einem nebenbuhlerischen Anmacher eins auf die Nase zu donnern, sondern weil
wir nun mal einen Körper haben — nicht nur mehr oder weniger Grips. Der Körper
soll vorzeigbar sein. Davon leben die Gyms und Fitnessstudios. Aber die
Bodybuildermuskeln mit der Mangeldurchblutung sind ja nur Schau und nicht
nutzbar. Nützlich sind die langen, schlanken, explosiven Muskeln. Und wo führt
man die

Weitere Kostenlose Bücher