Im Wettstreit der Gefühle (German Edition)
merke es, wenn sie kommen, um Euch um Rat zu fragen. … Nay, ich werde mich zumindest nützlich machen.“
Er blickte sie mit seltsamem Gesichtsausdruck an.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?“
„Als ich Euch im Waisenhaus kennen gelernt habe, wart Ihr genauso dickköpfig, wie jetzt gerade“, bemerkte Liam. „Nicht nur im positiven Sinne, fürchte ich. Eure spitze Zunge war gefürchtet.“
„Meine spitze Zunge? War ich denn ein unhöflicher Mensch?“ Sie war entsetzt über dieses Detail, das sie von sich selbst erfuhr. Vielleicht könnte sie die Frau nicht leiden, die sie früher gewesen war.
Lächelnd wiegte er den Kopf. „Ihr hattet ein ausgeprägtes Temperament. Vermutlich hat Euch die Zeit im Waisenhaus hart gemacht.“ Nachdenklich blickte er auf den Anhänger um ihren Hals und ließ die Schultern kreisen.
„Habe ich mich anderen Menschen gegenüber abfällig verhalten?“
„Oh, zum Teil konntet Ihr erschreckend direkt sein.“
„Ich hoffe, Ihr musstet nicht unter meinen hitzigen Charakter leiden“, meinte sie, und zeigte einen betroffenen Gesichtsausdruck.
„Um ehrlich zu sein …“ Liam beschloss, bei diesem Punkt bei der Wahrheit zu bleiben, denn die würde ihm Mitleid einbringen. Und das öffnete bekanntlich die Herzen der Frauen. „Mein Charme hat sich leider nicht für Euch erschlossen. Ihr habt mich von Anfang an mit deutlichen Worten wissen lassen, dass Ihr kein Interesse daran habt, nähere Bekanntschaft mit mir zu schließen.“
Erin errötete und blickte auf ihre im Schoß gefalteten Hände. Es fühlte sich seltsam an, dieses Gespräch zu führen, während sie auf der Matratze lag, und er auf sie herabblickte. „Das habe ich gesagt?“
„Nun, genau genommen meintet Ihr, dass ich es nicht wert wäre, mich Euch mehr als einen Steinwurf zu nähern.“
Ihr Gesichtsausdruck verdunkelte sich weiter. „Nachdem ich nun feststellen durfte, dass Ihr einen edlen, ehrlichen Charakter besitzt, tut mir diese Fehleinschätzung Eurer Person umso schrecklicher leid.“
Er versuchte den Schock zu verbergen. Ehrlich? Gerade er? „Das muss es nicht. Ich habe damals Dinge gesagt und getan, auf die ich nicht stolz bin.“
„Vermutlich habe ich Euch dazu provoziert“, meinte Erin und betrachtete ihn aufmerksam. Sie merkte seine angespannte Schulterhaltung.
Ein Achselzucken war als Antwort auf diese, die Situation zu seinen Gunsten verschönende Behauptung genug. „Vergangen ist Vergangen. … Es bleibt Zeit für einen Neuanfang.“ Und seltsamerweise wünschte er nichts sehnlicher, als dass er das Missverständnis zwischen ihnen ungeschehen machen könnte.
„Dann beginnen wir noch einmal neu und feiern diesen Tag, indem Ihr mir etwas zu tun gebt. … Irgendetwas.“
Endlich gab Liam die erfolglosen Versuche auf, ihr diese Idee ausreden zu wollen. „Wenn es denn sein muss. … Ihr könnt die Frauen beaufsichtigen.“
Erin machte ein verdutztes Gesicht. „Ich habe gar nicht gewusst, dass sich Frauen im Lager befinden. Könnt Ihr sie mir gleich vorstellen?“ Dann schwang sie die Beine auf den Boden. Als sie sein gespielt beleidigtes Gesicht sah, schwächte sie rasch ab. „Verzeiht meinen Eifer. Es war nett, die letzten Tage mit Euch zu verbringen. Ihr sind mir ein guter Freund geworden.“
„Ein guter Freund“, wiederholte er und zog die Worte in die Länge. „Ist das alles, was Euch zu mir einfällt?“ erkundigte er sich mit scheinheilig hochgezogenen Augenbrauen.
Erin legte den Kopf schief angesichts seiner berechnenden Frage. „Nun, ich gestehe, dass Ihr mir ans Herz gewachsen seid.“ Dann runzelte sie die Stirn. „Warum müssen die Frauen ‚beaufsichtigt‘ werden?“
„Die Formulierung war vielleicht etwas unglücklich.“ Liam hatte keine Ahnung, wie Erin reagieren würde, wenn er ihr erklärte, aus welchem Grund sich die Frauen in seinem Lager aufhielten. „Die Frauen kümmern sich um unser leibliches Wohl, wobei es sich dabei nicht um ihre einzige Aufgabe handelt. Ihr werdet selbst sehen.“
„Ich verstehe“, murmelte sie, obwohl sie das nicht tat. Einen Moment zögerte sie. „Zuerst werde ich allerdings etwas gegen die Verspannung Eurer Schultern tun.“
Ein Feuerball schoss bei ihren verlockenden Worten durch seinen Körper und verbrannte sein Innerstes. Sein Mund wurde trocken. Erotische Fantasien erschienen vor seinen Augen. Was hatte sie vor?
Sie trat hinter ihn und legte ihre Hände auf seine Schultern. Sekundenlang bewegte sie sich nicht.
Liam
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